Angriff in Berlin

Messerangriff an Schule - Suche nach Verdächtigem mit Fotos

23.05.2025, 06:01 Uhr
Am Donnerstag war ein zwölfjähriger Junge an einer Berliner Schule mit einer Stichwaffe schwer verletzt worden.

© Jörg Carstensen/dpa Am Donnerstag war ein zwölfjähriger Junge an einer Berliner Schule mit einer Stichwaffe schwer verletzt worden.

Mit Fotos und eindringlichen Worten fahndet die Polizei nach einem 13-Jährigen, der an einer Berliner Grundschule auf einen Mitschüler eingestochen haben soll. „Derzeit kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei dem Schüler eine Eigengefährdung vorliegt“, hieß es in einer Mitteilung. Der Junge befinde sich möglicherweise „in einer psychischen Ausnahmesituation“ und könnte ein Messer bei sich führen, so die Polizei weiter. Er fahre gerne mit Zügen der Deutschen Bahn. 

Am Tatort wurde nach Polizeiangaben am Donnerstag ein Küchenmesser gefunden. Damit soll der 13-Jährige den Mitschüler lebensgefährlich verletzt haben, wie es von der Polizei hieß. Der Zwölfjährige wurde operiert und ist weiterhin im Krankenhaus. Sein Zustand ist nach Polizeiangaben stabil.

Noch keine Aussage vom Verletzten 

Es sei aber noch nicht möglich gewesen, den Jungen zu den Ereignissen am Donnerstag zu befragen, sagte Polizeisprecher Martin Halweg. „Sobald dies medizinisch möglich ist, wird dies geschehen.“ Die Familie sei bei ihm im Krankenhaus. Es gebe eine soziale Betreuung, auch ein Seelsorger kümmere sich um den Schüler. 

Der mutmaßliche Täter wird nun von der Vermisstenstelle im Landeskriminalamt gesucht. Seine Eltern haben eine Vermisstenanzeige aufgegeben, da ihr Sohn nicht zu Hause erschien. Dabei werden die Freunde und anderen Kontakte des Jungen und der Familie befragt, sagte der Sprecher. Die Polizei stehe in engem Kontakt mit den Eltern. „Sie tun ihr Möglichstes, um unsere Maßnahmen zu unterstützen“, so Halweg. Als der Junge früher mal nicht nach Hause gekommen sei, habe ihn ein Bahnmitarbeiter im Zug aufgefunden.

Kontakte nach Niedersachsen 

Auch andere Bundesländer wie Niedersachsen sollen dabei in den Blick genommen werden, weil die Familie dort Bekannte habe. Ermittelt wird in dem Fall weiter von einer Mordkommission, wie es hieß. Zu den genauen Suchmaßnahmen gab die Polizei keine Auskunft. 

Die öffentliche Fahndung nach dem Vermissten erfolgte jedoch ungewöhnlich schnell und ist angesichts des jungen Alters des Verdächtigen auffallend ausführlich. Anders als bei der Suche nach einem erwachsenen Straftäter war dafür keine Entscheidung von einem Richter erforderlich.

Der Junge ist den Angaben nach 1,70 Meter groß und hat kurze, braune Haare. Seine Statur ist kräftig. Zuletzt trug der 13-Jährige demnach ein weißes T-Shirt, hellblaue Jeans und schwarze Schuhe. 

Am Donnerstag wurde mit Spürhunden nach dem mutmaßlichen Täter gesucht, eine erste Spur in eine Grünanlage hinter der Schule verlor sich aber. Über dem Wohngebiet an der Schule war auch kurz ein Hubschrauber zu hören. Gefahr für Anwohner sah die Polizei nicht. 

In Umkleidekabine zugestochen

Warum der Junge zugestochen haben soll, blieb vorerst unklar. Das Ganze sei in der Umkleidekabine vor oder nach dem Sport passiert, erzählte die Mutter eines Jungen, der Zeuge wurde. Es habe an diesem Tag keine Vorgeschichte gegeben, es sei aber bekannt gewesen, dass die beiden Kinder sich nicht besonders mochten, sagte sie.

Die Polizei hielt sich aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst bedeckt. Da es sich bei dem mutmaßlichen Täter um ein Kind handelt, werden aber keine weiteren strafrechtlichen Ermittlungen geführt, hieß es. Nach seiner Ergreifung werde er „einer geeigneten Betreuungseinrichtung zugeführt“.

Polizisten stehen vor einer Schule im Berliner Bezirk Spandau, an der es einen Messerangriff gab.

Polizisten stehen vor einer Schule im Berliner Bezirk Spandau, an der es einen Messerangriff gab. © Jörg Carstensen/dpa

Nach Polizeiangaben alarmierten Lehrer die Polizei und Feuerwehr am Donnerstag gegen 11.30 Uhr. Rettungskräfte und Seelsorger waren vor Ort, die anderen Schüler und Eltern wurden nach Hause geschickt.

Bildungssenatorin in Kontakt mit Schulleitung

Die Senatsbildungsverwaltung zeigte sich betroffen. Sie sei umgehend über den Vorfall informiert worden. „Wir begleiten den Prozess eng und stehen im kontinuierlichen Kontakt mit der Schule“, erklärte ein Sprecher. Die Schule habe schnell und verantwortungsvoll nach dem Notfallplan gehandelt. Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) habe umgehend das persönliche Gespräch mit der Schulleitung gesucht. Neben dem schulischen Krisenteam sei das Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentrum (SIBUZ) eingebunden. 

Weiterer Angriff in NRW 

Kurz nach dem Messerangriff in Berlin gab es in Nordrhein-Westfalen einen Polizeieinsatz wegen einer ähnlichen Tat. Ein Elfjähriger soll in Remscheid einen 13 Jahre alten Jungen bei einer Auseinandersetzung mit einem Messer schwer verletzt haben.

Nach den Angriffen sind erneut Debatten um das Thema Gewalt von Kindern und Jugendlichen entbrannt. Dazu gehört auch die Forderung, das Alter für die Strafmündigkeit herabzusetzen.

Aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft muss sie mindestens auf das 12. Lebensjahr herabgesetzt werden. Es gehe nicht darum, Kinder ins Gefängnis zu bringen, betonte Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Sie sollten aber von den „Segnungen eines Strafverfahrens“ profitieren können, so Wendt. „Es ist schon ein Unterschied, ob irgendein Sozialarbeiter auf einen 12- und 13-Jähren, der mit einem Messer bewaffnet ist und durch die Gegend läuft, einwirkt - oder ob Polizei und Staatsanwaltschaft das tun“, sagte Wendt der „Bild“. 

Gewalt unter Kindern nimmt zu

Die Berliner Polizei warnt bereits seit Jahren vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft bei diesen Altersgruppen. Schon 2022 und 2023 hatte die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel gesagt, sie sei ganz persönlich besorgt durch den Anstieg von Taten, an denen Kinder und Jugendliche beteiligt sind. „Das hat leider zugenommen. Wir betrachten diese Entwicklung sehr genau“, sagte sie damals. 

Die Angriffe würden häufig untereinander geschehen. Auch Messer spielten dabei häufiger eine Rolle. Oft werde damit gedroht, etwa bei Raubtaten oder zur Einschüchterung, aber sie würden auch eingesetzt.

Anstieg von Messertaten bei jungen Tätern

So waren nach Angaben der Polizei 2024 und 2023 etwa 30 Prozent der Täter im Zusammenhang mit Messern in Berlin jünger als 21 Jahre alt. Es setze sich fort, dass die Polizei auch viele Jugendliche unter 18 und Kinder unter 14 Jahren als Verdächtige mit Messern registriere, die etwa Raubtaten verübten oder aneinandergerieten, stellte Slowik Meisel Ende des vergangenen Jahres fest.

2023 gab es in Berlin 3.482 registrierte Straftaten mit Messern. Etwa die Hälfte davon waren laut Polizei Drohungen mit dem Messer. 2024 lagen die Zahlen ähnlich hoch.