Geschmacklose Bezeichnung

Rassismus-Eklat um beliebtes Weihnachtsgetränk

Johannes Lenz

Online-Redakteur

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06.12.2023, 16:16 Uhr
Wärmt nicht nur den Körper auf, sondern erhitzt derzeit auch die Gemüter: "Lumumba", ein Getränk aus Kakao und Rum.

© IMAGO/xinganielsenx Wärmt nicht nur den Körper auf, sondern erhitzt derzeit auch die Gemüter: "Lumumba", ein Getränk aus Kakao und Rum.

Zu einem gelungenen Weihnachtsmarktbesuch gehört ein Heißgetränk ebenso wie der obligatorische Lebkuchen oder süße Plätzchen. Was darf es also sein: Glühwein, Kinderpunsch oder doch lieber ein "Lumumba"? Auf vielen Märkten ist das die gängige Bezeichnung für eine Tasse Kakao mit einem Schuss Rum - sehr zum Missfallen der Historikerin und ehemaligen Grünen-Stadträtin Annalena Schmidt aus Bautzen. Wie die "Bild" berichtet, kritisierte sie den Namen für das Heißgetränk auf der Plattform "X" als rassistisch. Die Folge: Ein veritabler Shitstorm, Beleidigungen und Bedrohungen inklusive.

Gegenüber der "Bild" spricht Schmidt von den vielen, meist anonymen Bedrohungen - so viele, dass sie es nicht einmal geschafft habe, alle zu lesen. Zudem habe sie fast im Minutentakt anonyme Anrufe erhalten. Trotz der Unannehmlichkeiten verbucht die Historikerin ihren Post als Erfolg - "immerhin beschäftigen sich die Menschen jetzt mit der Thematik.

Der unbequeme Präsident: Entmachtet, gefoltert und ermordet

Aber wieso kritisiert Annalena Schmidt die Bezeichnung "Lumumba" als rassistisch? Um diese Frage zu beantworten, muss man in die Vergangenheit blicken - genauer gesagt auf die belgische Kolonialgeschichte. Lange Zeit stand die Demokratische Republik Kongo unter der Herrschaft Belgiens, bevor das Land am 30. Juni 1960 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Der erste Präsident des jungen Staates: Patrice Lumumba, ein ehemaliger Postbeamter.

Der erst 35-jährige Lumumba erweist sich für den Westen von Beginn an als unangenehm: Bereits in seiner Rede bei den Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit des Kongo kritisiert er die Gräueltaten der belgischen Kolonialherren scharf - zum Entsetzen des belgischen Königs und ausländischer Diplomaten. Er verfolgt die Einigung der verschiedenen Volksstämme, die im Kongo leben, und das Ideal eines starken, emanzipierten Kongo, der seine Rohstoffe nicht an ausländische Firmen abtritt.

Belgien und die USA fürchten um ihren Einfluss im jungen Staat. Zudem befürchten die Amerikaner in Zeiten des Kalten Krieges, dass sich Lumumba und der Kongo Richtung Sowjetunion orientieren könnten. Wie der "Spiegel" berichtet, orchestriert die CIA daraufhin erst die Entmachtung und dann die Ermordung des jungen Präsidenten: Von einem belgisch-kongolesischen Kommando wird Lumumba am 17. Januar 1961 brutal gefoltert und erschossen. An seiner statt wird eine prowestliche Militärregierung unter der Führung des berüchtigten Diktators Mobutu installiert.

Initiative Schwarzer Menschen kritisiert Bezeichnung

Noch heute gilt Lumumba als Symbol für den Kampf gegen Kolonialismus, Unterdrückung und Ausbeutung in Afrika. Und genau deshalb kritisiert Annalena Schmidt die Bezeichnung für das alkoholhaltige Kakaogetränk. In ihrem Post auf der Plattform "X" schreibt sie: "Patrice Lumumba steht für die Unabhängigkeitsbewegung in Afrika (...). Er wurde erschossen! Und ihr benennt 'Kakao mit Schuss' nach ihm!" Wie das Getränk indessen zum Namen des Politikers kam, ist nicht geklärt, spöttische, farblich-assoziative Gründe könnten dabei jedoch durchaus eine Rolle gespielt haben, wie "derstandard" schreibt.

Schmidt erfährt unter anderem die Unterstützung der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Der Pressesprecher der Organisation, Tahir Della, kritisierte dem "WDR" gegenüber, dass viele weiße Menschen zu wenig über die Wirkung von Rassismus wüssten und davon ausgingen, dass Rassismus nur mit bewusster Intention transportiert würde. Dabei seien auch Fremdbezeichnungen für Nahrungsmittel rassistisch, da sie schwarze Menschen objektivieren würden.