Urteil in Kanada

Richter meint: Es ist "gottgegebenes Recht", jemandem den Mittelfinger zu zeigen

Christian Urban

Redakteur - nordbayern.de

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20.3.2023, 10:12 Uhr
Es ist nicht nur nicht sehr nett, jemandem den Mittelfinger zu zeigen, sondern es kann in Deutschland auch eine Strafe nach sich ziehen. (Symbolbild)

© imago images/photothek, NNZ Es ist nicht nur nicht sehr nett, jemandem den Mittelfinger zu zeigen, sondern es kann in Deutschland auch eine Strafe nach sich ziehen. (Symbolbild)

Die anderen Autofahrer sind wieder einmal ausnahmslos absolute Vollidioten, ein Spieler der gegnerischen Fußballmannschaft mäht den Stürmer auf dem Weg zu einer erstklassigen Torchance mit einem brutalen Foul um - oder der Nachbar dreht im Garten mal wieder die Musik zu laut auf: In solchen Situationen kommt bei vielen Menschen gerne das wahrscheinlich beliebteste aller Mittel zum Frustabbau zum Einsatz: der Mittelfinger.

Das kann allerdings Konsequenzen haben, die den gestikulierenden Menschen in diesem Moment des Zorns vermutlich gar nicht bewusst sind. Schließlich erfüllt das Zeigen des Mittelfingers nach § 185 StGB den Tatbestand der Beleidigung und kann, wenn die Geste angezeigt wird, nicht nur eine Geldstrafe nach sich ziehen, sondern - wenn der Finger im Straßenverkehr gezeigt wird - auch ein zeitweiliges Fahrverbot und Punkte in Flensburg. So weit die rechtliche Lage in Deutschland.

In anderen Ländern gibt es allerdings Juristen, die den ausgestreckten Mittelfinger nicht nur nicht ganz so eng sehen, sondern ihn gar als legitimes Mittel der freien Meinungsäußerung betrachten. Zu diesem Urteil kam kürzlich Dennis Galiatsatos, ein Richter in Kanada, der eine Verhandlung wegen eines eskalierten Streits in einem Vorort von Montreal leitete. Dies berichtet unter anderem der "Guardian".

Vorangegangen waren mehrere teils heftige Streitigkeiten zwischen zwei Nachbarn. Die Streitigkeiten schaukelten sich auf, bis einer der beiden dem anderen mit beiden Händen den Mittelfinger zeigte. Der Beleidigte wollte das jedoch nicht auf sich sitzen lassen und zog vor Gericht - ohne Erfolg.

Es sei zwar nicht sehr höflich, jemandem den Mittelfinger zu zeigen, allerdings sei es auch kein Verbrechen, erklärte Galiatsatos im Verlauf einer seiner 26-seitigen Begründung. Stattdessen sei es "ein gottgegebenes, in der Charta verankertes Recht, das jedem (...) Kanadier zusteht", führte der Richter mit Bezug auf die kanadische Charta der Rechte und Freiheiten an.

Darüber hinaus setzte es in der Urteilsbegründung noch eine weitere juristische Ohrfeige für den Kläger: Er erhielt eine scharfe Rüge, da er das Gericht wegen einer "banalen, unbedeutenden nachbarschaftlichen Belanglosigkeiten" bemüht habe.