Streaming: Werden die Musiker ausgebeutet?

6.2.2018, 05:14 Uhr
"A Tale of Golden Keys" finden, dass für junge Bands Streaming eine gute Sache ist. Die Nürnberger Kulturpreisträger von 2016 wissen nämlich: "Auf unseren Konzerten sind immer auch Leute, die uns auf Spotify entdeckt haben."

© A Tale Of Golden Keys (Screenshot) "A Tale of Golden Keys" finden, dass für junge Bands Streaming eine gute Sache ist. Die Nürnberger Kulturpreisträger von 2016 wissen nämlich: "Auf unseren Konzerten sind immer auch Leute, die uns auf Spotify entdeckt haben."

Ob große Hits oder kleine Geheimtipps, Streaming-Dienste wie Spotify, Deezer oder Apple Music erfüllen nahezu jeden Wunsch. Etliche Künstler kritiseren aber die lächerlich niedrigen Zahlungen des Marktführers Spotify, Taylor Swift boykottierte den Dienst zeitweise.

Geoff Barrow von der britischen Band Portishead rechnet auf Twitter vor, dass er durch 34 Millionen Streams nur 1700 Pfund verdient, also knapp 2000 Euro. Das klingt skandalös. 34 Millionen CD-Käufer hätten ihn steinreich gemacht. Reguläre Downloads hätten auch gutes Geld gebracht. 34 Millionen Radiohörer jedoch nicht. Und würden die Leute überhaupt mehr Musik kaufen, wenn es keine Streaming-Dienste gäbe? Schließlich klagten die Musikkonzerne zuvor schon jahrelang, dass die Zahl der illegalen Downloads steigt und der Umsatz bei den CDs einbricht.

 

"Streaming ist die Jetzt-Zeit – und ohne dieses Angebot würde man auch nicht mehr CDs verkaufen", meint der Nürnberger Musiker und Konzertveranstalter David Lodhi. "Bei Schlager und Metal sind Tonträger noch relevant, aber bei Pop zählen vor allem die Einnahmen durch Konzerte und Fanartikel wie T-Shirts." Jonas Hauselt, Schlagzeuger der Band "A Tale of Golden Keys", bestätigt diese Einschätzung. "Und für junge Bands ist Streaming eine gute Sache", freuen sich die Nürnberger Kulturpreisträger von 2016: "Auf unseren Konzerten sind immer auch Leute, die uns auf Spotify entdeckt haben."

Dennoch ist es nicht gerade fair, dass für jeden abgerufenen Song nur eine winzige Geldsumme beim Künstler landet. Spotify zahlt keine festen Beträge: Die schwedische Erfolgsfirma, die seit 2012 in Deutschland ihren Dienst anbietet, nannte 2016 ein Spektrum von 0,006 bis 0,008 Dollar. Das Künstlerportal The Tricordist veröffentlicht nun eine Berechnung, wonach Spotify 2017 im Schnitt nur 0,004 Dollar pro Stream gezahlt hat (in Euro umgerechnet sind das nochmal rund 20 Prozent weniger). Der Konkurrent Apple Music zahlt etwa das Doppelte, das von Rapper Jay-Z gegründete Streaming-Portal Tidal das Dreifache. Was immer noch wenig ist.

Streaming schafft neue Fans

"Wir sind in den letzten zweieinhalb Jahren bei verschiedenen Anbietern insgesamt rund vier Millionen Mal gestreamt worden", erzählt Jonas Hauselt. Ein echter Erfolg für eine junge Band. Was das finanziell gebracht hat, ist für die Musiker zweitrangig. "Für den Monat Dezember haben wir 170 Euro für Streams überwiesen bekommen. Aber es ist uns wichtiger, dass die Leute auf unsere Konzerte kommen." Auch David Lodhi hatte sich als Gitarrist von Wrongkong über die Aufmerksamkeit gefreut, die eine Band über Streaming bekommen kann. "Wir haben das bei unserer letzten Single "Feel" gemerkt, die ist 200.000 Mal gehört worden."

 

Dass Wrongkong nun vor kurzem ihre Abschiedskonzerte gespielt haben, ist denn auch nicht die Schuld von Spotify: "Wir haben als Band elf Jahre lang viel erlebt und sind glücklich miteinander, aber es ist eben auch kraftraubend", erklärt Lodhi. "Und wir haben ja alle noch Jobs und teilweise auch Kinder. Deshalb machen wir eine Pause auf unbestimmte Zeit." Als Konzertveranstalter nutzt er Spotify, um Bands zu entdecken – für das Festival Nürnberg.Pop und den Club Stereo ist Lodhi ständig auf der Suche nach frischen Klängen. Es sind vor allem etablierte Stars wie James Blunt oder Radiohead, die sich über die geringen Einkünfte durch das Streamen ärgern. Die von verschiedenen Musikern veröffentlichten Summen variieren stark. Auf jeden Fall ist es stets nur ein Bruchteil dessen, was sie mit regulären Downloads oder gar mit CDs verdienen könnten. Wo aber landet das Geld?

Einnahmen gehen an Streamingdienste und Plattenfirmen

Die Dienste behalten in der Regel dreißig Prozent der Einnahmen durch Werbung und Abonnements. Der Rest wird an die Rechteinhaber der Songs ausgeschüttet. Das sind meist nicht die Musiker, sondern deren Plattenfirmen – und dort versickert viel Geld. Viele Künstler haben schlechte oder veraltete Plattenverträge, bei deren Abschluss es womöglich noch gar kein Streaming gab.

Viele kleinere Musiklabels beteiligen ihre Künstler bei der Online-Verwertung inzwischen schon mit fünfzig Prozent oder mehr. Bei den Großkonzernen sind die Summen meist deutlich kleiner. Oft wissen aber nicht einmal deren Mitarbeiter, wie viel Geld überhaupt durch Streaming hereinkommt. Die Vergütung erfolgt teilweise indirekt, etwa durch Werbekontingente oder Firmenanteile: Plattenfirmen wie Warner, Universal und Sony besitzen Anteile an Spotify.

Der konkurrierende Streaming-Anbieter Apple Music soll schon Druck auf die Musiklabels ausgeübt haben, damit sie Spotify zur Abschaffung der Gratisangebote drängen. Rund 70 Millionen zahlende Abonnenten hat der Marktführer derzeit, die Zahl der Gratis-Nutzer ist mehr als doppelt so hoch. 

Eine Abo-Gebühr für alle könnte die Kassen vieler Künstler aufbessern. Wenn das Geld nicht bei den großen Musiklabels versandet. Ohne Zweifel könnten die meisten Streaming-Dienste den Musikern mehr Geld bieten. Doch das größere Problem scheinen die Plattenfirmen zu sein, die beide Seiten gegeneinander ausspielen.

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