Drastischer Fall

Tod nach Abifeier: Neun Jahre Jugendhaft für 19-Jährigen

09.05.2025, 12:31 Uhr
Im Prozess um den Tod eines jungen Mannes ist ein Urteil gefallen.

© Friso Gentsch/dpa Im Prozess um den Tod eines jungen Mannes ist ein Urteil gefallen.

Gut zehn Monate nach dem gewaltsamen Tod eines jungen Mannes in einem Kurpark ist ein 19-jähriger Angeklagter zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Bielefeld verurteilte ihn unter anderem wegen vorsätzlicher Körperverletzung und versuchten Totschlags. Die Kammer habe keinen Zweifel an seiner Täterschaft, sagte der Vorsitzende Richter Carsten Clashörster. 

In der Nacht zum 23. Juni war der 20 Jahre alte Philippos nach der Abifeier seiner Schwester im Kurpark von Bad Oeynhausen im Nordosten von Nordrhein-Westfalen so sehr geschlagen und getreten worden, dass er zwei Tage später mit schweren Hirnschäden im Krankenhaus starb. Der Angeklagte habe massive Gewalt gegen sein Opfer ausgeübt, schilderte der Richter. 

Auf das am Boden liegende Opfer eingetreten

Er habe ihm auch mehrfach auf Kopf und Körper getreten, als der junge Mann schon schwer verletzt am Boden lag, aus Ohr und Nase geblutet habe, sagte der Richter. Es sei dem Angreifer bewusst gewesen, dass der 20-Jährige sterben könne - oder er womöglich bereits gestorben war. Da habe der Angeklagte ihm noch seine Tasche abgenommen. Auch gegen eine zweite Person sei er in dem Park sehr gewalttätig geworden. „Da lag überhaupt keine Hemmschwelle vor.“ 

Verteidigung akzeptiert das Urteil nicht

Der zur Tatzeit noch 18 Jahre junge Angeklagte nahm seine Verurteilung äußerlich unbewegt hin. Sein Verteidiger Burkhard Benecken kündigte an, er werde umgehend in Revision gehen und rechne mit guten Chancen für seinen Mandanten. Er hatte zuvor beantragt, von einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts abzusehen und lediglich eine Verwarnung auszusprechen. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Raubes mit Todesfolge und wegen versuchten Mordes neun Jahre Jugendstrafe verlangt.

Die Eltern des Getöteten sind erleichtert

Die Mutter des getöteten 20-Jährigen zeigte sich erleichtert. „Ich weiß jetzt, was passiert ist. Ich habe Antworten bekommen“, sagte Johanna Steinmann-Glogowski, die Nebenklägerin war. Sie halte das Urteil für fair. „Ich bin froh, dass der Prozess jetzt beendet ist, dass diese Wunde nicht mehr andauernd aufgerissen wird.“ Der Vater, Dimitris Tsanis, ebenfalls Nebenkläger, sagte: „Endlich haben wir Gerechtigkeit für unseren Sohn.“ Angehörige trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Philippos Tsanis Unvergessen“.

Wie wird die Strafe begründet?

Der Richter sagte, man habe bei dem 19 Jahre alte Syrer Jugendstrafrecht angewandt. Es gebe Reifeverzögerungen, der Angeklagte habe Fluchterfahrungen durchgemacht, sei mit zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen, und auch der Wechsel nach Bad Oeynhausen im Oktober 2023 sei nicht leicht gewesen. Er habe allerdings in Deutschland bereits kleinere Straftaten begangen. 

Der Gewaltfall von Bad Oeynhausen hatte bundesweit großes Entsetzen ausgelöst und auch Debatten über Zuwanderung und Abschiebung von ausländischen Straftätern befeuert. 

Der Syrer war im Kurpark in Begleitung mehrerer junger Leute unterwegs. Zwei damals 19-jährige Deutsche standen zunächst mit ihm wegen gefährlicher Körperverletzung und Hehlerei vor Gericht, ihre Verfahren wurden aber später eingestellt - in einem Fall gegen eine Auflage. In dem Park soll es in der fatalen Nacht zu mehreren Rangeleien, dann massiver Gewalt unter mehreren jungen Leuten aus zwei Gruppen gekommen sein, die sich zuvor nicht kannten.

Philippos habe einen Querbruch der Schädelbasis erlitten, weitere Brüche und Verletzungen, gestorben sei er an einem Schädelhirntrauma. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass der Sturz von Philippos - nach Attacken des Anklagten - mit seinem Kopf auf den Boden bereits zum Tode führte. Aber klar sei: „Sie haben ihn so schwer getreten, dass es zu einem weiteren Schädelbruch kam“.

Die Kammer hat keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten

Die Kammer hat keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten © Friso Gentsch/dpa

 

Zeuge und Aufnahmen der Gewalttat als wichtige Beweise

Erst im April waren neu aufgetauchte Videos aus der Tatnacht als Beweismittel eingeführt worden - sie waren zuvor von Tatbeteiligten gelöscht, dann von der Polizei aber wiederhergestellt worden. Staatsanwalt Christoph Mackel hatte von widerlichen Gewaltbildern gesprochen, die das Sterben des 20-Jährigen zeigten. Die Verteidigung hatte das Material als Entlastung für den Mandanten bewertet, das Gericht das aber anders.

Richter Clashörster sagte, der Angeklagte habe zwar auf Alkohol- und Marihuana-Konsum hingewiesen, dieser habe aber keine Auswirkungen auf seine Steuer- oder Einsichtsfähigkeit gehabt. Der Anklagte hatte im Prozess über seinen Verteidiger zudem erklären lassen, ihm solle ein Totschlag in die Schuhe geschoben werden - von anderen, die an der Tat beteiligt gewesen seien. Auch das wies das Gericht zurück. 

Man habe versucht, den Anklagten zu einem Geständnis zu bewegen, aber außer einem Schlag ins Gesicht des 20-Jährigen und den Diebstahl seiner Tasche habe er nichts eingeräumt. „Jetzt sind es neun Jahre geworden.“ Zugleich betonte Clashörster in Richtung der Angehörigen: „Ein Urteil kann niemals Schmerzlinderung bringen.“

Das Gericht urteilte nach Jugendstrafrecht

Das Gericht urteilte nach Jugendstrafrecht © Friso Gentsch/dpa