Neue Studie

Virus nährt sich im Fett: Übergewicht erhöht Risiko für schweren Corona-Verlauf

17.12.2021, 09:02 Uhr
Wer stark übergewichtig ist, leidet häufiger unter einem schweren Verlauf der Corona-Infektion.

© Frank Leonhardt/dpa Wer stark übergewichtig ist, leidet häufiger unter einem schweren Verlauf der Corona-Infektion.

Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts sind rund zwei Drittel der Männer und etwa die Hälfte der Frauen in Deutschland übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen ist stark übergewichtig. Adipositas, also starkes oder krankhaftes Übergewicht, ist ein wichtiger Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe bei Patienten mit Covid-19.

Wer stark übergewichtig ist, leidet häufiger unter einem schweren Verlauf der Corona-Infektion. Warum Fettleibigkeit ein Risiko für einen schweren Verlauf darstellt, zeigen die Ergebnisse einer neuen gemeinsamen Studie des Leibniz-Instituts für Experimentelle Virologie (HPI) und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Cell Metabolism veröffentlicht.

Demnach spielt bei der Vermehrung von SARS-CoV-2 das Fettgewebe eine wichtige Rolle. Das Forschungsteam unter der Leitung von Gülsah Gabriel (HPI) und Jörg Heeren (UKE) konnte in Autopsieproben zeigen, dass das Coronavirus häufig im Fettgewebe von Covid-Patienten nachweisbar ist. 18 männliche und 12 weibliche Personen, die an Covid-19 gestorben sind, wurden dafür untersucht.

Bei mehr als der Hälfte der Untersuchten war das Coronavirus im Fettgewebe nachweisbar. "Insgesamt liefern wir den direkten Nachweis, dass Fettgewebsdepots, insbesondere von männlichen Personen mit Adipositas, anfällig für eine SARS-CoV-2-Infektion sind", schreiben die Autorinnen und Autoren in der Studie.

Virus auch in Leberproben nachgewiesen

Auffällig: Vorwiegend wurde das Virus im Fettgewebe bei Männern nachgewiesen, die übergewichtig oder adipös waren. Als übergewichtig werden Menschen mit Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 25 eingestuft, ab 30 gelten sie als adipös. Bei vier adipösen Männern wurde zudem das Coronavirus in Leberproben nachgewiesen. Dies deute darauf hin, dass die häufig beobachtete Leberfettansammlung zusätzlich die Vervielfältigung des Coronavirus in der Leber unterstützen könnte, so das Forschungsteam. Auch bei Frauen wurde das Coronavirus im Fettgewebe nachgewiesen, allerdings ohne Zusammenhang zwischen BMI und den Virus-mRNA-Spiegeln.

In einem präklinischen Modell einer Corona-Erkrankung wurde außerdem gezeigt, dass sich das Virus von den Atemwegen ausgehend in das Fettgewebe ausbreite und sich dort weiter vermehre. Das führe zu einer lokalen Entzündung und habe Folgen für den gesamten Stoffwechsel. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die bei Patienten mit Covid-19 beschriebenen Veränderungen des Stoffwechsels durch die SARS-CoV-2-Infektion der Fettgewebe erklärbar sind", erläutert Heeren, Professor für Immunstoffwechsel am Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie des UKE.

Basis für neue Behandlungsstrategien

Mit Hilfe von Zellkulturen konnte im Rahmen der Studie zudem gezeigt werden, dass der Fettstoffwechsel innerhalb der Zelle für die Ausbreitung von Corona ein maßgeblicher Faktor ist. So reduziert die Blockierung des Fettabbaus durch einen Lipase-Inhibitor die Virusreplikation in reifen Zellen des Fettgewebes um das Hundertfache. Durch die gleichzeitige Verabreichung eines Medikamentes, welches zur Cholesterin-Senkung eingesetzt wird, konnte die Vervielfältigung noch weiter unterdrückt werden.

"Da es sich dabei um zwei bereits gegen andere Krankheitsbilder zugelassene Wirkstoffe handelt, könnten unsere Ergebnisse eine Basis für neue Behandlungsstrategien gegen Covid-19 darstellen", erläutert Gabriel, Leiterin der HPI-Abteilung "Virale Zoonosen - One Health" und Professorin für Virologie an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, die Ergebnisse.

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