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"Wetten, dass..?" in Nürnberg: Ein alter Mann und eine wunderbare Zeitreise

7.11.2021, 14:48 Uhr
Ein Hauch von damals: In der Nürnberger Messehalle lud Thomas Gottschalk am Samstagabend zur Jubiläumssendung.

© Frederic Kern via www.imago-images.de, imago images/Future Image Ein Hauch von damals: In der Nürnberger Messehalle lud Thomas Gottschalk am Samstagabend zur Jubiläumssendung.

Dieser Text, in dem laut Fernsehkritikerverordnung die Worte Bademantel und Lagerfeuer aufscheinen müssen, beginnt mit: einem Hund namens Uno. "Wetten, dass..?" begann schließlich auch erst so richtig mit Uno. Thomas Gottschalk hatte sich schon etwas zu lange von einem emotionalisierten Publikum feiern lassen; wie in einem schlechten Kabarett-Programm hatte er die Punkte Gendern, Fernsehen und Shitstorm abgehakt; der Programmdirektor des ZDF war mindestens einmal zu oft von der Kamera eingefangen worden, als dieser wunderbar aufgedrehte Terrier den alten blonden Mann daran zu erinnern schien, dass es an diesem Abend zwar um ihn, aber eben nicht um ihn allein ging.

Nix vergessen, nix dazugelernt

Uno gewann mit maximalem Einsatz eine Wette, die deutscher nicht hätte sein können (Hund trennt Müll!) und gab damit DER deutschen Show Starthilfe. Gottschalk war der Star. Aber als Benni und Björn der Liebe der vielen Abba-Fans in der Messehalle 3 kaum gerecht wurden, war es der Dartspieler Leon, der es wagte, den Gastgeber rhetorisch herauszufordern und wohl deshalb seinen für Frankreich vorgesehenen Pfeil nach Frankfurt schickte. Es waren die herrlich extrovertierten Klobürstenschwestern, die jene gähnend langweiligen Hinweise darauf, wie gestrig das ZDF-Programm wirklich ist, unterbrachen und perfekt überspielten, dass ihre Wette zwar angemessen albern, aber so schwer gar nicht war.

Es war das Publikum, es waren die Kandidaten, die die Rührung der Zuschauer zu Hause spiegelten. Zuschauer, die glücklich waren, dass sie nicht nach der Kinderwette ins Bett mussten. 14 Millionen Menschen begaben sich auf eine Zeitreise in die 80er – mit allen Risiken. Denn, dass der Reiseleiter "nix vergessen", aber eben auch "nix dazugelernt hat", verkündete er stolz gleich zu Beginn und bestätigte es bei jeder Gelegenheit.

Das Witzchen über Hunzikers Dekolletee, der lange Blick in eben jenes. Die Pause, nachdem er den Vornamen der Schauspielerin Svenja Jung vergessen hatte; die Unverschämtheit, danach Svenja, immer wieder Svenja anzusprechen. Er weiß, was man eigentlich nicht mehr macht und macht es natürlich trotzdem. Mit diesem Programm ist Gottschalk derzeit auf Tour, mit dem Autounfall einer Talkshow namens "Die letzte Instanz" hat es begonnen, zuletzt ist er damit bei Bild-TV aufgetreten.

Mit Spontanität und Chuzpe

Ja, Gottschalk ist ein alter Mann, 71 Jahre alt, der nicht darüber hinwegzukommen scheint, dass er in einer Welt lebt, in der sich die Menschen am Samstagabend in Bademänteln weder ums Lagerfeuer noch vor dem Röhrenfernseher versammeln. Gottschalk ist aber auch ein herausragender Entertainer. Wer sich von seiner Spontanität und seiner Chuzpe nicht unterhalten fühlt, hat ohnehin nach fünf Minuten um- oder abgeschalten. Für alle anderen war es eine wunderbare Zeitreise, die so vielleicht tatsächlich nur noch einmal im Jahr funktioniert.

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