Offener Brief

100 Milliarden für die Truppe: DGB Mittelfranken liest der Politik die Leviten

2.6.2022, 12:04 Uhr
Stephan Doll bei einer Kundgebung am 1. Mai: Der Vorsitzende des DBG Mittelfranken hält nichts von dem 100-Milliarden-Paket für die Modernisierung der Bundeswehr.

© IMAGO/Dwi Anoraganingrum, IMAGO/Future Image Stephan Doll bei einer Kundgebung am 1. Mai: Der Vorsitzende des DBG Mittelfranken hält nichts von dem 100-Milliarden-Paket für die Modernisierung der Bundeswehr.

Mit Blick auf die gigantische Summe, welche die Politik in eine bessere Ausrüstung der Armee steckt, macht der DGB Mittelfranken aus seinem Herzen keine Mördergrube: "Eine Friedenssicherung in der Logik militärischen Denkens ist aus Sicht des DGB nicht möglich", heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Darin wird unter anderem klargestellt, dass der DGB laut Satzung für weltweit kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung eintritt.

"Da klingeln die Alarmglocken"

Dementsprechend sehen die Gewerkschaften eine Steigerung der Militärausgaben generell sehr kritisch, sowohl was das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr als auch das Zwei-Prozent-Ziel der Wirtschaftsleistung für den Nato-Beitrag betrifft. "Dies gilt umso mehr, wenn Bundesfinanzminister Lindner bei der Tilgung der Schulden von Prioritätensetzungen spricht, dann klingeln bei uns Gewerkschaften die Alarmglocken", so Stephan Doll, Geschäftsführer des DGB Mittelfranken, der den offenen Brief als Hauptverantwortlicher unterzeichnet hat. Gleichzeitig ziehe sich ein enormer Investitionsstau durch alle Bereiche, kritisiert er.

"Es wäre grob fahrlässig, wenn die Politik den sozialen Frieden und die dringend notwendige und rasche Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern aufs Spiel setzen würde. Anderslautende Beteuerungen sehen wir mindestens mit Skepsis", heißt es in dem Brief weiter. Eine reflexhafte Ausgabensteigerung für Wehr- und Rüstungsausgaben werde keine Auswirkungen auf den Krieg in der Ukraine haben, fürchten die Gewerkschafter. "Stattdessen werden viele Milliarden Euro für humanitäre Hilfs-, Unterstützungs- und Eingliederungsleistungen nötig sein - für Menschen aus Kriegsgebieten wie beispielsweise der Ukraine, Irak, Afghanistan, Syrien, Jemen. Nicht zu vergessen die Menschen, die vor Klimazerstörung auf der Flucht sind", so der DGB Mittelfranken.

In Dolls Augen steht die Politik angesichts der beabsichtigten Änderung des Grundgesetzes für ein militärisches Sondervermögen, "was nichts anderes ist als eine zusätzliche Verschuldung", an einem Scheideweg. "Nicht ein Hochrüsten und eine Militarisierung von Politik, sondern Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind Auftrag des Grundgesetzes", erklärt der Gewerkschaftsfunktionär und fordert daher alle Bundestagsabgeordneten der demokratischen Parteien in Mittelfranken auf, dem 100-Milliarden-Paket die Zustimmung zu verweigern. Stattdessen sollte ein "gesellschaftlicher Dialog über Sicherheit für unser Land und Europa" stattfinden, so der Vorschlag.

Laut Angaben des DGB Mittelfranken sind im Bundeshaushalt 2022 insgesamt 49 Milliarden Euro für Rüstungsausgaben vorgesehen. Zusätzlich sollen heuer die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr hinzukommen, die ihr über mehrere Jahre zur Verfügung stehen sollen. Diese Summe entspreche den Ausgaben mehrerer Bundesministerien: Gesundheit (16,03 Milliarden), Bildung und Forschung (19,36 Milliarden), Innen, Bau und Heimat (18,52 Milliarden), Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12,16 Milliarden), Wirtschaft und Energie (9,81 Milliarden), Umwelt (2,7 Milliarden), Zusammenarbeit und Entwicklung (10,8 Milliarden), sowie Ernährung und Landwirtschaft (6,98 Milliarden).

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