Antisemitismus-Anschuldigungen

Aiwanger kontert Vorwürfe: Welche Version stimmt denn? Klarheit ist wichtig

Alexander Jungkunz

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26.8.2023, 13:25 Uhr
Er muss Klarheit schaffen - bisher hat er das nicht getan: Hubert Aiwanger.

© Stephan Goerlich via www.imago-images.de, imago images/Stephan Görlich Er muss Klarheit schaffen - bisher hat er das nicht getan: Hubert Aiwanger.

Auf dem maschinengeschriebenen Flugblatt steht Unerhörtes: Bewerber für ein Preisausschreiben sollten sich "im Konzentrationslager Dachau zu einem Vorstellungsgespräch" melden. Der erste Preis: "'Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz". Weitere Preise: "Ein lebenslänglicher Aufenthalt im Massengrab (Ort nach Belieben)" oder "Eine Fahrkarte in die ewigen Jagdgründe (Erfüllungsort ebenfalls das Vergnügungsviertel Auschwitz und Nebenlager)".

Er selbst sieht eine "Schmutzkampagne"

Hat Hubert Aiwanger das geschrieben, mit 17 Jahren, als Gymnasiast? Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung", und sie zitiert dabei etliche Stimmen aus Aiwangers damaliger Schulfamilie, die ihn für diese Hetze verantwortlich machen. Aiwanger wies die massiven Anschuldigungen am Freitagabend - da wurden sie publik - prompt zurück. Er habe "so etwas nicht produziert" und werde "gegen diese Schmutzkampagne im Falle einer Veröffentlichung juristische Schritte inklusive Schadenersatzforderungen" ergreifen.

Am Samstagabend hat er in einer weiteren Mitteilung erklärt, nicht er, sondern ein Mitschüler sei der Verfasser des Hetz-Textes. Der werde sich dazu äußern. Das geschah dann auch prompt - mit einer überraschenden Volte: Aiwangers Bruder Helmut sagte, er sei der Verfasser des Pamphlets.

Damit steht Aussage gegen Aussage. Die Aiwangers entlasten Hubert, weil Helmut die Verantwortung übernimmt. Das Münchner Medienhaus bleibt bei den Vorwürfen an Hubert Aiwanger. Das Blatt recherchiert in aller Regel sehr gründlich. Eine so schwere Anschuldigung zu veröffentlichen, ohne sie vorher nicht wasserdicht geprüft zu haben - das kann sich die "Süddeutsche" eigentlich nicht erlauben. Eine Falschmeldung wäre ein Desaster für deren Glaubwürdigkeit und ein Triumph für all jene, die daran zweifeln und "Lügenpresse" rufen.

Momentan stehen also massive Vorwürfe und deren Zurückweisung im Raum. Der Ball liegt nun - Stand Samstag abend - im Feld der "Süddeutschen Zeitung"; sie muss ihre Vorwürfe erhärten und klar belegen. Davon hängt viel ab. Stimmt, was das Blatt schrieb, dann wären Konsequenzen fällig. Denn zum einen hätte sich seine "Jugendsünde" - die schon deutlich mehr war als nur ein Dummer-Jungen-Streich - bewahrheitet. Zum zweiten hätte Aiwanger dann zunächst die Unwahrheit dazu gesagt, als er die Vorwürfe zurückwies.

Schwer vorstellbare Szenen

So einen Stellvertreter, so einen Wirtschaftsminister könnte Ministerpräsident Markus Söder nicht mehr in seinem Kabinett belassen. Man stelle sich vor: ein Holocaust-Gedenken oder ein erneuter Besuch von Charlotte Knobloch, der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde München, im Landtag - und Aiwanger sitzt auf der Regierungsbank... Stets wäre da die Erinnerung an seine mutmaßlichen Schmähungen.

So weit ist es noch nicht, bisher gilt - mehr noch nach Aiwangers Erklärung und dem Statement seines Bruders - die Unschuldsvermutung. Nun liegt es an der "Süddeutschen", völlig eindeutige Belege für ihre Beschuldigungen liefern.

"Die Demokratie zurückholen"

Unabhängig vom Ausgang dieses mitten im Wahlkampf gravierenden Konflikts gilt: Dass der Niederbayer zu Gedankengut neigt, das zusehends ins Rechtspopulistische abdriftet, das hat er zuletzt mehrfach bewiesen. In seiner von den einen gefeierten, von anderen kopfschüttelnd zur Kenntnis genommenen Erdinger Rede am 10. Juni forderte er bekanntlich, die Bürger sollten sich "die Demokratie zurückholen". Danach wies er jede Kritik zurück und verschärfte seine Tonlage sogar - und bekam Applaus auch von AfD-Anhängern.

Nun gibt es dringenden Klärungsbedarf. Und zwar bald. Gerade im Wahlkampf müssen die Menschen wissen, welche Variante in dieser heiklen Geschichte wirklich stimmt.

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