Nach der Wahl

Aiwangers Truppe hat ihren Sieg für ein viertes Ministerium verschenkt

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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26.10.2023, 16:20 Uhr
Hubert Aiwanger sieht sich als Sieger bei den Koalitionsverhandlungen. Doch das vierte Ministerium, das seine Freien Wähler bekommen, ist das schwächste in der Riege.

© Lennart Preiss, dpa Hubert Aiwanger sieht sich als Sieger bei den Koalitionsverhandlungen. Doch das vierte Ministerium, das seine Freien Wähler bekommen, ist das schwächste in der Riege.

Es ist dann doch eine Überraschung, wie billig die Freien Wähler sich ihren Wahlerfolg haben abkaufen lassen. Klar, sie bekommen ein viertes Ministerium. Das liest sich super auf dem Papier. Doch das Ministerium ist vor allem dies: ein zahnloser Tiger ohne Kompetenzen, ohne nennenswertes Budget, ohne Macht.

Es wäre mehr möglich gewesen

Offen ist, warum die Freien Wähler nicht darauf gedrängt haben, dass das Haus ausgebaut wird. Denkbar wäre einiges gewesen. Die Zuständigkeiten für das Digitale verteilen sich auf viele Ministerien; sie hätten sich durchaus bündeln lassen. Doch Hubert Aiwanger als Verhandlungsführer der Freien Wähler hatte andere Dinge im Blick. Und so haben sie nicht mal darüber geredet, wie sich das Haus aufwerten ließe. Das sagt alles.

Aiwanger wird Wirtschaftsminister bleiben, doch eigentlich sieht er sich als Landwirtschaftsminister. Dafür hat er sich nun die Staatsforsten in sein Ministerium geholt, dazu das Jagdrecht, beides wirklich keine originären Wirtschaftsthemen. Doch es zeigt, wo seine Prioritäten liegen. Für die Wirtschaftspolitik im Land bedeutet das auch in Zukunft nichts Gutes.

Der Graben wird tiefer

Ähnlich skurril ist die Entscheidung, dass der gesamte Tourismus-, Gastronomie- und Hotelleriebereich ins Landwirtschaftsministerium wechselt. Urlaub auf dem Bauernhof ist zwar schön. Doch das Paket geht weit darüber hinaus, trifft die großen Städte ebenso wie den ländlichen Raum. Das war gut aufgehoben im Wirtschaftsressort, das weiter für die Landesentwicklung zuständig bleiben wird.

CSU-Chef Markus Söder ist mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden.

CSU-Chef Markus Söder ist mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. © Peter Kneffel, dpa

Aiwanger hat sich regelmäßig in die Landwirtschaftspolitik eingemischt. Jetzt, da die Zuständigkeiten weiter verwischt worden sind zwischen den Häusern, wird das nicht weniger werden. Statt klarer Kompetenzzuweisungen haben die Koalitionäre den Graben nur noch vertieft.

Beinfreiheit für Söder

Aus CSU-Sicht ist das dennoch ein gelungener Schachzug. Die Zeiten sind wirtschaftlich heikel. Ein Wirtschaftsminister aber, der sich auf ressortfremde Themen konzentriert, wirkt nach außen provinziell. Er lässt CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder die nötige Beinfreiheit, die er für ein eigenes wirtschaftspolitisches Profil braucht. Nicht umsonst betont Söder, dass die Wirtschaftsbosse schon jetzt nur mit ihm reden. Und nicht mit Aiwanger.

So sehr Söder und Aiwanger auch den neuen Burgfrieden betonen, lange wird er nicht halten. In zwei Jahren steht mit der Bundestags- die nächste große und aus Söders Sicht lebens- bis überlebenswichtige Wahl an. Aiwanger will den Sprung nach Berlin schaffen. Und er will und muss dafür der CSU die Stimmen abjagen.

Söder kann sich das nicht bieten lassen. Schon der Landtagswahlkampf hat gezeigt, mit welch harten Bandagen die Koalitionäre gegeneinander kämpfen. Das wird in zwei Jahren noch sehr viel brutaler werden. Weil es für beide um die Zukunft geht.

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