Annalena Baerbock: Mit 40 Jahren schon Bundeskanzlerin?

19.4.2021, 13:47 Uhr
 Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock 

© Sepp Spiegl via www.imago-images.de  Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock 

Man konnte es schon in dem Moment ahnen, als die beiden das Podium betraten. Da strahlte Annalena Baerbock glücklich in die Kameras, während Robert Habeck eher etwas verkniffen wirkte. Als der 51-Jährige dann auch noch als Erster das Wort ergriff, war es klar: Er würde jetzt nur noch eine Funktion haben - nämlich die, seine Co-Vorsitzende zur Kanzlerkandidatin der Grünen auszurufen.


Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen nominiert


"Liebe Annalena, die Bühne gehört Dir", presste er aus sich heraus, bevor er im Hintergrund verschwand und während der ganzen Veranstaltung nicht mehr auftauchte. Es dürfte von nun an zu seinem Alltag gehören, einen Schritt hinter der neuen Nummer eins aufzutreten und ihr vor allem die wichtigsten öffentlichen Termine zu überlassen. Vor allem die Runde der Spitzenkandidaten kurz vor dem Wahltermin.

Annalena Baerbock ist in jeder Hinsicht eine aus der Reihe fallende Kandidatin. Sie wäre, sollte es bei der Bundestagswahl im September klappen, mit 40 Jahren die jüngste Kanzlerin aller Zeiten. Sie wäre auch die erste Amtsinhaberin, die nicht vorher ein herausragendes Amt wie Bundesminister oder Ministerpräsident ausgeübt hätte. Die meisten Fragen in der anschließenden Pressekonferenz drehten sich genau darum.

"Ich habe großen Demut"

"Ich habe großen Demut und großen Respekt vor dieser Aufgabe", sagte die Grünen-Vorsitzende. Aber es gehe schließlich mit ihrer Kandidatur nicht um ein "auf Sicht fahren" oder ein "weiter so". Dann könne man ja auch gleich die Große Koalition weitermachen lassen. Ihre Partei wolle einen Neuanfang - und den skizzierte Baerbock dann gleich in aller Kürze.

Unter anderem erwähnte sie, sie wünsche sich "ein gerechtes Land, in dem Kitas und Schulen die schönsten Orte sind", einen Staat, "der digital funktioniert" und den Klimaschutz als ein wichtiges Fundament der gesamten Politik. An dem Punkt wurde die 40-Jährige dann auch sehr persönlich. Sie erinnerte sich daran, an der Pariser Klimaschutzkonferenz teilgenommen zu haben, mit ihrer sechs Monate alten Tochter im Kinderwagen. Das sei ein Schlüsselerlebnis für sie gewesen.

Wen sie im Wahlkampf als ihren Hauptgegner betrachtet, daraus machte Baerbock kein Geheimnis: "Wir sind bereit, Führung zu übernehmen, deswegen fordern wir die Union heraus." Die Grünen sind darauf fixiert, dass sie im nächsten Bundestag die stärkste Kraft werden könnten. Auf eine mögliche Regierungsbeteiligung als Juniorpartner von CDU und CSU wollte sie deswegen gar nicht groß eingehen. In einem Bündnis mit SPD und Linken oder mit SPD und FDP wären die Grünen nach allen bisherigen Umfragen die stärkste Kraft und dürften in das Kanzleramt einziehen.

Habeck verkörpert Regierungserfahrung

Was wird die künftige Funktion von Robert Habeck sein? Das hatte er selbst noch angedeutet, bevor er von der Bühne abtreten musste. Er könne seine Regierungserfahrung (aus dem Bundesland Schleswig-Holstein) einbringen, sagte er. Der 51-Jährige würde also im Wahlkampf versuchen, dieses vermutlich größte Defizit der Kollegin auszugleichen.

Ohnehin betrachtet sich der Politiker als Vertreter eines neuen Stils. Er und Annalena Baerbock arbeiteten auf eine Art und Weise zusammen, "die einander Raum lässt". Das hätten sie von Anfang an so gehalten, als sie im Januar 2018 an die Parteispitze gewählt worden seien. Eines wollte Habeck aber dann doch nicht abstreiten. In den gemeinsamen Verhandlungen der vergangenen Monate und Wochen, wer denn nun Spitzenkandidat(in) wird, habe es "manchmal auch schwierige Gespräche" gegeben.

Annalena Baerbock stammt ursprünglich aus Hannover. Dort wurde sie 1980 als Tochter einer Sozialpädagogin und eines Maschinenbauingenieurs geboren. Mit ihrer Herkunft zählt sie also zu der Riege der Niedersachsen, die für hohe und höchste Ämter antraten - wie Gerhard Schröder, Christian Wulff und Ursula von der Leyen. Allerdings lebt die studierte Politikwissenschaftlerin und Völkerrechtlerin seit Jahren mit ihrem Ehemann und zwei kleinen Töchtern in Brandenburg. Dort wurde sie gerade erst als Listenführerin der Grünen bei der Bundestagswahl nominiert.

Liebling der Basis

Die praktische Erfahrung der 40-Jährigen beschränkt sich auf drei Jahre als Büroleiterin einer Europaabgeordneten, ein Jahr als Referentin der Bundestagsfraktion und knapp acht Jahre als Abgeordnete. Dazu kommt seit drei Jahren der Co-Parteivorsitz. Annalena Baerbock erwies sich dabei nach kürzester Zeit als ein ausgesprochener Liebling der Basis. Auf dem Parteitag im November 2019 wurde sie mit 97,1 Prozent der Stimmen zur Chefin gewählt. Habeck lag rund sieben Prozentpunkte hinter ihr, was manche schon als einen Fingerzeig für die Zukunft betrachteten.


Baerbock als Kanzlerkandidatin: Der Abspann folgt erst noch


Die neue Nummer eins der Grünen gilt als fleißige Aktenleserin, die viele Fakten und Zahlen jederzeit parat hat. Auf den Feldern Europa- und Klimapolitik ist sie sehr kompetent, bei der für eine Regierungschefin so wichtigen Finanzpolitik fiel sie bisher nicht mit allzu vielen Wortmeldungen auf. Doch mit dem gestrigen Tag hat für sie das begonnen, was alle Kanzlerkandidat(inn)en der Vergangenheit durchmachen mussten: ein hartes inhaltliches Polit-Training, um in allen Themengebieten jederzeit sprechfähig zu sein.

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