Asif N.: "Sie haben mich wie einen Verbrecher behandelt"

31.7.2019, 15:13 Uhr
Vor einem Jahr saß Asif N. noch in der Kanzlei seines Anwalts Michael Brenner.

© Michael Matejka Vor einem Jahr saß Asif N. noch in der Kanzlei seines Anwalts Michael Brenner.

Welche Vorstellung hattest du von Deutschland, als du im Iran gelebt hast? Mit welcher Hoffnung kamst du nach Deutschland?

Asif N.: Eigentlich wollte ich nicht nach Deutschland gehen, ich wollte nach Norwegen. Als ich im Iran war, habe ich mitbekommen, dass es dort schön ist. Dass es Freiheit gibt und Schnee und das Meer. Aber ich hatte keine genaue Vorstellung. Ich wusste gar nichts über Deutschland, ich wollte einfach weg. Es war so scheiße im Iran, ich war illegal dort. Ich hatte immer Angst, dass ich nach Afghanistan abgeschoben werde. Ich hatte keine Rechte dort. Die Leute haben mich schlecht behandelt, ich wollte einfach weg.

Wie war deine Ankunft in Deutschland dann tatsächlich?

Asif N.: Ich bin von Wien nach Hamburg gefahren und wollte dann nach Schweden und dann Norwegen. In Passau wurde ich festgenommen im Zug. Ich bin nach München gekommen und dann nach Zirndorf geschickt worden. Ich habe einen großen Fehler gemacht, ich bin in Deutschland geblieben. Ich war mit einem Kumpel zusammen, wir hatten beide kein Geld. Er ist dann ohne Ticket nach Schweden gefahren. Nach 6 Monaten hatte er Anerkennung dann Schulabschluss und jetzt studiert er. Und ich bin immer noch im Asylheim.

Was sind die Mechanismen, die dich in Deutschland fertig machen?

Asif N.: Man muss so lange warten und nichts machen. Nicht arbeiten dürfen, das ist die größte Scheiße für mich. Wenn man arbeiten dürfte, dann würde ich Geld verdienen und könnte ausziehen aus dem Heim. Ich wäre gerne selbstständig. Die 300€, die ich kriege, können sie jemand anderem geben, ich will sie nicht. Und das Ausländeramt ist schlimm, immer dort gehen, immer 3 Stunden warten bis man Verlängerung bekommt. Und die behandeln einen so krass: Wenn man hingeht, sie benehmen sich so als wären sie ganz oben und wir ganz unten, das ist so krass. Auch Krankenversicherung ist schlecht. Einmal habe ich mich geschnitten und hatte Schmerzen. Ich war im Nordklinikum, aber man  hat mich nicht behandelt, ich bin in die Erlerklinik gegangen, sie wollten meine Krankenkassenkarte. Aber Ausländeramt hat sie genommen und ich habe nur Krankenscheine jetzt. Es war Samstag und das Sozialamt hatte zu, sie haben mich nicht behandelt. Ich musste gehen. Das war ein krasser Moment, zum Glück war nur der Finger. Ich habe gedacht, wenn ist was Schlimmeres habe, muss ich sterben bis Sozialamt am Montag aufmacht. Die Ausländerbehörde oder das Sozialamt müssen für alles zustimmen. Am Wochenende, wenn du auf eine Party gehst, weißt du nicht, vielleicht kommt ein Auto und es passiert was und sie behandeln dich nicht.

Vor zwei Monaten habe ich wieder eine Ablehnung bekommen, jetzt muss ich ein Jahr warten, bis die Anhörung und ich weiß nicht vielleicht in 3 Jahren wieder Ablehnung. In Zwischenzeit kann ich nichts machen. Ich kann nicht aushalten 3 Jahre rumlaufen und nichts machen. Damit zwingen sie mich zurückzugehen. Im Asylheim habe ich nichts, der Tag ist so lang. Was soll ich machen. Du stehst auf und hast nichts, kein Internet, Fernseher. Jeden Tag muss ich nur die Wände anschauen. Drei Jahre das ist viel zu viel, so geht nicht weiter. Stell dir vor ich bin 6 Jahre in Deutschland, ich habe nichts erreicht. Zeit ist Gold, darf man nicht verschwenden.

Wie konntest du das so lange aushalten?

Asif N.: Am Anfang war anders, ich war im Kinderheim, meine Erzieher haben mich motiviert. Wenn ich Ausbildung mache, kriege ich Aufenthalt. Ich habe Schule begonnen, ich habe Ausbildung bekommen aber Ausländerbehörde hat die Genehmigung zurückgenommen. Dann habe ich schulische Ausbildung gemacht. Damals habe ich nie meine Hoffnung aufgegeben. Ich wollte immer was machen. Ausländerbehörde hat gesagt ich muss den Pass bringen, damit ich weitermachen kann. Ich habe es geschafft aber sie haben mich belogen. Sie haben versucht mich abzuschieben. Damals hatte ich Ziele und Hoffnung aber sie haben mich enttäuscht. Ich habe vieles versucht aber nichts bekommen. Jetzt habe ich keine Hoffnung mehr.

Wie ist das bei deinen Freunden, wie gehen sie damit um?

Asif N.: Jeder hat ein Problem weißt du. Bei manchen Menschen funktioniert es schon aber viele gehen auch kaputt oder versuchen in ein anderes Land zu kommen. Viele Leute sind nach Frankreich gegangen. Ich kenne 6 oder 7 aus Nürnberg. Sie leben dort ein paar Monate auf der Straße und dann bekommen sie Aufenthalt. Aber ich will nicht mehr nach Frankreich, ich will nicht dort unter einer Brücke schlafen.

Hat der 31.Mai bei dir etwas verändert?

Asif N.: Ich weiß nicht wie soll ich das sagen, ist schwierig. Ich bin sehr dankbar für die Leute, die sich vor das Auto gesetzt haben und meine Abschiebung verhindert haben. Ich habe immer Angst, ich will diese Situation nicht mehr erleben. Es war der krasseste Moment in meinem Leben. Es hat sich viel verändert, aber auch nichts. Meine Abschiebung wurde verhindert. Ich habe viele Menschen kennengelernt, das war das beste. Es ist so vieles, ich kann nicht alles erzählen. Aber der Protest hat verändert, dass ich am nächsten Tag wieder frei gekommen bin, dass ich nicht in Abschiebehaft gekommen bin. Wenn nicht so viel Aufmerksamkeit gekommen wäre, vielleicht hätten sie mich in Abschiebehaft genommen und hätten mich an einem anderen Tag abgeschoben.


Abreise in aller Stille: Asif N. flog freiwillig zurück


Wir haben eine Woche vor meine Abschiebung eine kleine Demo vor meiner schule gemacht: Keine Abschiebung von der schule. Und meine Lehrer haben gesagt, die Schule ist ein sicherer Ort. Aber sie haben trotzdem mich von der Schule abgeschoben. Es war krass, sie haben mich vor allen Menschen wie einen Verbrecher behandelt, in Handschellen und über die Wiese gezogen. Ich war so schockiert, dass die Bullen in meiner Klasse waren. Ich habe nichts gemacht. Die Frage ist immer in meinem Kopf: Warum machen sie das mit mir? Du sitzt im Auto und siehst wie die Bullen die Leute schlagen. Das war krass.

Auch die Ablehnung, die sie mir gegeben haben spielt eine Rolle. Sie haben es mir erst am nächsten Tag gegeben und mich gleich mitgenommen. Und spielt eine Rolle für die Gerichtsverfahren, die die Leute dann bekommen haben. So viele Menschen haben Gerichtsverfahren gekriegt wegen diesem Tag. Es war mein erstes Mal bei so ein Gerichtsverhandlung. Am Anfang war richtig krass für mich. Es hat mich so wütend gemacht, dass die Bullen lügen. Es hat sich angefühlt als reden die Richter und Staatsanwalt nur für die Polizei, nicht für die Leute.

Nach dem 31.Mai hab ich dann Anhörung bekommen. Und der Anhörer vom BAMF hat gesagt ich kriege subsidiären Schutz, aber später habe ich doch Ablehnung bekommen. Es ist schwierig das alles zusammenzufassen. Alles das hat mich verändert.

Gab es auch etwas positives?

Asif N.: Natürlich. Ich habe dadurch viele Leute kennengelernt, die mir geholfen haben. Zum Beispiel Bündnis Mai31. Sie haben mir so viel geholfen. Das ist auch ein Grund, dass ich noch keine Entscheidung treffen konnte. Sonst wäre ich schon längst weg.

Dieser Moment, als ich im Auto war und viele Leute sich auf die Straße gesetzt haben war ein krasser Moment. Ich habe gesehen, dass die Menschen sich solidarisieren. Dass sie meine Abschiebung verhindert haben. Die Leute haben gezeigt, dass es Menschlichkeit gibt und nicht nur Macht vom BAMF und Polizei und so. Ich kann das alles nicht fassen.

Was bewegt dich jetzt zum Zurückgehen? Was ist an Afghanistan besser als an Deutschland?

Asif N.: In Afghanistan ist besser, ich kann machen was ich will ohne Genehmigung. Nicht immer zu Behörde gehen. Ich bin einfach dort. In Afghanistan stirbt man einmal weißt du, in Deutschland stirbt man jeden Tag, bei jedem Stress. Viele sagen in Deutschland ist Frieden, in Afghanistan ist Krieg. Aber Deutschland ist wie ein Friedhof für mich, du liegst nur da und kannst nicht machen, dich nicht bewegen.

Würdest du sagen, dass das was du tust eine freiwillige Rückkehr ist?

Asif N.: Nein. Weil ich dort nicht freiwillig hingehe. Ich bin hier machtlos und ich kann nicht mehr ohne irgendwas mein Leben verbringen, sie zwingen mich. Für mich ist das eine neue Flucht. Ich gehe zurück in ein Land aus dem ich mit 13 geflohen bin, ich habe keine Ahnung davon. Rückkehr heißt du gehst zurück zu deiner Stadt zu deiner Familie und Freundschaft. Aber bei mir ist so, ich kann nicht zu meiner Familie. Ich war noch nie in Kabul. Es ist keine freiwillige Rückkehr, bei mir ist ein neuer Fluchtweg, ich fliehe von dem ganzen scheiß System hier.

Was löst es in dir aus, wenn die Medien schreiben, dass du freiwillig zurück gehst?

Asif N.: Ich will jetzt nicht mehr in Zeitungen kommen. Dann wird richtig krass für mich in Afghanistan. Überall steht mein ganze Geschichte. Wenn ich hingehe, die Leute kennen mich, vielleicht denken sie das ich Geld habe und nehmen mich fest. Und für meine Familie ist schwierig, wenn sie wissen dass ich hier bin und ich kann nicht zu denen und sie können mich nicht in Kabul besuchen,. Und was denken die Leute? Die Leute in Deutschland kennen nicht meine Situation, sie verstehen es nicht. Sie denken, ich gehe freiwillig. Aber ich gehe nicht freiwillig, sie wissen meine Situation von hier nicht.

Afghanistan ist nicht sicher, jeden Tag sterben dort Menschen, wie ist das sicher? Es wird immer schlimmer. Ausländerbehörde sagt es gibt Krieg nur in einzelnen Städten, sie sagen du kannst dort sein wo kein Krieg ist. Aber ich denke Krieg ist Krieg, wenn deine Küche brennt, dann brennt auch dein Wohnzimmer und dein Schlafzimmer. Das kann man nicht sagen, die Stadt ist sicher, die nicht. Es gibt keine Sicherheit dort. Die Leute müssen immer mit Angst leben. Aber ich geh lieber dort hin und fange dann dort an. Wenn ich sterbe, okay aber ich fange an zu leben. Egal wie lange ich in Deutschland bin, ich habe nichts, sie lassen mich nicht leben.

Willst du noch etwas sagen?

Asif N.: Ja. Ich bin sehr dankbar für Bündnis Mai31 und Jaba und alle einzelnen Menschen die mich und uns unterstützt und geholfen haben. Es war ein krasse Situation was die gemacht haben. Da kann man nicht nur sagen danke, ich will eigentlich anders ausdrücken. Ein danke, das reicht nicht. Hoch die internationale Solidarität!


Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview hat das Bündnis "Widerstand Mai 31" geführt, die sich dazu entschieden haben,  Sprache und Wortlaut von Asif N. original abzubilden.