Anfrage der Linken-Fraktion

Bayern: Mindestlohn reicht nicht für Durchschnittsmiete

22.7.2021, 09:45 Uhr
Von einem Einfamilienhaus können Mindestlohnempfänger nur träumen. Aber auch für eine Wohnung reicht es oft nicht. 

© Henning Kaiser, dpa Von einem Einfamilienhaus können Mindestlohnempfänger nur träumen. Aber auch für eine Wohnung reicht es oft nicht. 

Wer die stellvertretende Linken-Fraktionschefin Susanne Ferschl fragt, bekommt als Antwort: beides. "Der Mindestlohn ist zu niedrig und die Mieten zu hoch - das ist das Ergebnis einer verfehlten Arbeits- und Sozialpolitik der Bundesregierung", sagt sie mit Blick auf die Antworten der Regierung auf die von ihr gestellten Anfrage.

Sie wollte wissen, wie hoch die Miete inklusive Heizung maximal sein darf, damit ein alleinstehender Mindestlohn-Empfänger mit einer Arbeitszeit von 37,7 Wochenstunden und einem Brutto-Verdienst von 1552 Euro ohne Sozialleistungen auskommt. "Die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung betragen 423 Euro", erklärt das Bundesarbeitsministerium. Allerdings liegen die tatsächlichen Kosten in Bayern etwas höher und zwar durchschnittlich bei 467 Euro. In München betragen sie 597 Euro, in Ingolstadt 485 Euro und in Nürnberg 454 Euro.

Ferschl kritisiert diese Entwicklung scharf: "Wenn Beschäftigte von einem Vollzeitjob nicht mehr leben können und zusätzlich zum Amt müssen, um ihre Miete zahlen zu können, läuft etwas schief, das hat nichts mit Leistungsgerechtigkeit zu tun."

Durch die Pandemie hat sich die Lage sogar noch zugespitzt: Volker Wolfrum, Leiter des Nürnberger Sozialamts, berichtet, dass die Zahl der Wohngeldanträge um 32 Prozent gestiegen sei. Das Amt komme kaum hinterher.

Linke: Mindestlohn auf armutsfestes Niveau anheben

Die Forderungen der Linken sind zwar nicht neu, bereits 2018 wurde eine ähnliche Anfrage gestellt, die im Kern zu demselben Ergebnis kam. Auch damals sollte der Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde deutlich erhöht werden. Doch die kürzliche Anhebung von 9,50 auf 9,60 Euro ändert laut Ferschl auch nichts an der seit Jahren bestehenden Schieflage. "Der Mindestlohn muss endlich auf ein armutsfestes Niveau von 13 Euro angehoben werden", sagt sie.

Auch Stephan Doll, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Mittelfranken, fordert eine Steigerung des Mindestlohns auf 12 Euro. Allerdings könne man mit reinen Lohnforderungen das Wohnungs- und Mietenproblem nicht lösen. "Wir schmeißen das Geld der Lohnerhöhungen doch nicht in den Rachen der Vermieter", sagt er.

"Fast 50 Prozent der 8,4 Millionen Haushalte, die zur Miete wohnen, geben mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete aus. Knapp ein Viertel geben 40 Prozent ihres Einkommens für Warmmiete und Nebenkosten her" lautet auch das Ergebnis der Hans-Böckler-Stiftung, die die finanzielle Situation von Mietern in 77 deutschen Großstädten untersucht hat. Etwa zwölf Prozent der Großstadthaushalte zahlten demnach für ihre Miete sogar die Hälfte ihres Einkommens.

Vor allem Alleinstehende betroffen

Am stärksten vom Wohnungsmangel betroffen seien der Untersuchung zufolge Alleinstehende unterhalb der Armutsgrenze. Sie haben weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung. Bezahlbar seien damit nur kleine, sehr günstige Apartments mit Mieten zwischen vier und fünf Euro pro Quadratmeter. Doch von diesen Wohnungen gebe es in den Großstädten viel zu wenige.

Mehr Unterstützung aus der öffentlichen Hand - auf allen Ebenen - wünscht sich hier Gunther Geiler vom Deutschen Mieterbund für Nürnberg. "Die dauerhafte Schaffung und Sicherung von Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung soll wieder als Teil der Daseinsvorsorge als Aufgabe der Gemeinschaft begriffen werden", sagt er. Denn der Markt richte es eben nicht, wie man es vermutet hatte. Zudem brauche es mehr Förderung vor allem bei Modernisierungen, so Geiler, der günstige - freifinanzierte - Wohnungen eben nicht in Neubauten sieht. Der - von einigen Parteien und auch dem Mieterbund - geforderte Mietenstopp löse das grundsätzliche Problem nicht, er sei lediglich ein kleiner Baustein in einer Fülle von Plänen.


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Aus Sicht der Vermieter stellt Rechtsanwalt Gerhard Frieser von Haus und Grund Nürnberg fest: „Der Mietanstieg bei den Angebotsmieten und Bestandsmieten hat sich wesentlich verlangsamt." Aber selbst unterstellt, dass für viele Geringverdiener die Mieten in Nürnberg hoch seien, so sei Nürnberg nicht mit München zu vergleichen. "Dort ist der Mindestlohn genauso hoch, aber die Mieten liegen teilweise um das Doppelte bis Dreifache höher", sagt er.

Die Mieten in Nürnberg haben laut Frieser zudem ein Niveau, das keinen Spielraum für Mietreduzierungen ohne staatliche Subvention zulässt. "Gerade die von uns vertretenen kleineren Vermietern und Eigentümer haben kaum noch die Liquidität, um die vom Staat ständig erhöhten Anforderungen an das Wohnen zu erfüllen", erläutert der Anwalt.

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