Behörden schlagen Alarm

Brauner Beifall: Wie Rechtsextreme die Bauernproteste unterwandern

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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7.1.2024, 12:51 Uhr
Auf einem Protest von Landwirten weht eine AfD-Fahne.

© IMAGO/Ulmer Auf einem Protest von Landwirten weht eine AfD-Fahne.

Es waren bestürzende Bilder, die sich am Donnerstagabend von Schleswig-Holstein aus wie ein Lauffeuer über die Republik verbreiteten: Ein wütender Mob aus Landwirten wartet in Schlüttsiel an der Nordseeküste auf eine Fähre, mit der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von einem Insel-Urlaub zurückkehrt. Als die Fähre anlegen will, versuchen etwa 120 der Protestierenden, an Bord zu stürmen. Die Polizei muss Pfefferspray einsetzen, das Schiff wird zur Umkehr gezwungen. Das im Vorfeld kommunizierte Angebot Habecks, einige der Landwirte zu einem Gespräch an Bord zu holen, schlägt der Mob aus.

Die Aktion zeigt vor allem eines: Teile der Protestbewegung gegen die Sparpläne der Bundesregierung im Landwirtschaftssektor werden radikaler. Und diese raue Form des Protestes zieht politische Gruppierungen vom rechten Rand der Gesellschaft an. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, drohen Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker und andere Rechtsextreme die Bauernproteste zu unterwandern.

Beifall für die Aktion in Schleswig-Holstein kam unter anderem aus rechtsextremen Telegram-Kanälen, wie die "Frankfurter Rundschau" berichtet. Neben Häme und Spott gegenüber Robert Habeck gab es Zuspruch für den wütenden Bauern-Mob am Fähranleger. Auffällig dabei: Unter anderem werden in den Telegram-Gruppen Verschwörungstheorien über Habeck verbreitet - dieser würde im Auftrag der "Bilderberger" agieren. Außerdem haben einige der Gruppenmitglieder Symbole in ihren Profilen, die eindeutig der Reichsbürgerszene zuzuordnen sind.

"Freie Sachsen" und die AfD: Rechtsextreme Parteien und Vereine rufen zur Teilnahme auf

Auch die AfD versucht, die Protestbewegung für ihre Ziele zu instrumentalisieren. In einem Facebook-Post unterstützt der AfD-Landesverband Thüringen, der vom dortigen Verfassunsgsschutz als "erwiesen rechtsextremistisches Beobachtungsprojekt" eingestuft wurde, den Aufruf zum "Generalstreik" am 8. Januar. Landwirte und andere Berufsgruppen würden "wie im Mittelalter (...) von einer verantwortungslosen politischen Führung ausgepresst und in den Ruin getrieben". Dass die Vertreter der AfD im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags selbst für die Streichung von Subventionen im Agrarbereich gestimmt hatten, erwähnt die Partei nicht.

Wie das "Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)" berichtet, rufen zudem zahlreiche Orts- und Kreisverbände der Partei zur Teilnahme an den Bauernprotesten auf. Auch der Verein "Ein Prozent" fordert seine Unterstützer auf, an den Demonstrationen teilzunehmen. Die "Freien Sachsen" gehen sogar noch einen Schritt weiter: Nach Information des "RND" will sich die rechtsextremistische Kleinstpartei mit eigenen Kundgebungen an den Bauernprotesten beteiligen.

Den Behörden ist die rechtsextreme Unterwanderung der Bauernproteste nicht verborgen geblieben: Wie die "Welt am Sonntag" berichtet, haben das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz auf Bundes- und Landesebene beobachtet, dass Rechtsextreme und Querdenker über Telegram und soziale Netzwerke zur Teilnahme an den Protesten aufrufen und sich mit der Bewegung solidarisieren. Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, dass auch das Bundesinnenministerium vor einem möglichen Missbrauch der Bauernproteste durch rechtsextreme Kräfte warnt.

Hängende Ampeln und Xavier Naidoo: Landwirte mit zweifelhaften Motiven

Aber nicht nur rechtsextreme Kräfte von außen drohen, die Bewegung für sich einzunehmen. Auch Teile der Landwirte selbst fallen durch Umsturzphantasien und aggressive Rhetorik auf. Der Verein "Land schafft Verbindung" etwa postete auf Facebook ein Video mit der Überschrift "Ab dem 08.01.2024!! Alle zusammen für eine andere Politik in unserem Land!!" Es sind Ausschnitte aus einer Kundgebung zu sehen. Als ein Redner sagt, dass die Regierung entweder ihren Kurs wechseln müsse, oder es einen Regierungswechsel geben müsse, brandet tosender Beifall auf. Untermalt ist das Video von einem Song des Rappers Xavier Naidoo, der in den vergangenen Jahren durch seine Nähe zur Reichsbürgerszene und antisemitischen Verschwörungstheorien auf sich aufmerksam machte.

Ein anderer Post des Vereins zeigt einen Traktorenkorso. Darunter ist zu lesen: "Ein Schachspiel beginnt mit dem Bauer und endet erst, wenn der König fällt. 08.01.2024 Lasst das Spiel beginnen". Doch nicht nur auf Social Media fallen Teile der bäuerlichen Protestbewegung durch radikale Inhalte auf, auch andere Formen des Protestes werden radikaler. Erst vor wenigen Tagen erregten in ganz Deutschland mehrere durch Landwirte aufgestellte Galgen, an denen eine Ampel befestigt war, Aufsehen.

Bauernverband distanziert sich

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, distanziert sich indessen von rechtsextremen Gruppierungen: "Rechte und andere radikale Gruppierungen mit Umsturzgelüsten wollen wir auf unseren Demos nicht haben", sagte er gegenüber der "Bild am Sonntag". Wenn ein politischer Wechsel stattfinden sollte, "dann über die Stimmabgabe in der Wahlkabine." Auch von aggressiven Formen des Protestes distanziert sich Rukwied: "Aktionen wie in Schlüttsiel schaden unseren politischen Anliegen. Wir wollen in der kommenden Woche friedlich und geordnet demonstrieren."