Vor der Landtagswahl

Das freie Radikal: Aiwanger quält Söders CSU, die sich nicht wehren kann

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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23.9.2023, 11:00 Uhr
Obwohl die Distanz zwischen Hubert Aiwanger (links) und Markus Söder kaum größer sein könnte, setzen die beiden doch voll auf eine Neuauflage ihres Bündnisses.

© Karl-Josef Hildenbrand, NN Obwohl die Distanz zwischen Hubert Aiwanger (links) und Markus Söder kaum größer sein könnte, setzen die beiden doch voll auf eine Neuauflage ihres Bündnisses.

Markus Söder setzt ganz auf die Freien Wähler. Es ist ein Vabanquespiel, auf das er sich mit seiner Koalitionsaussage eingelassen hat. Nicht nur, dass er sich alle Alternativen genommen hat. Er kettet sich an einen Partner, über den er spätestens seit der Flugblattaffäre keine Kontrolle mehr hat. Denn seit FW-Chef Hubert Aiwanger die Welt auf den Kopf gestellt und sich vom Täter zum Opfer stilisiert hat, ist er das freie Radikal im Bündnis.

Nicht nur, dass Aiwanger schon Wochen vor der Wahl ein viertes Ministerium für seine Partei fordert; er streckt die Hand auch nach dem Landwirtschaftsministerium aus. Söder muss das als Kampfansage des Niederbayern verstehen. Denn das Agrarressort gehört wie Innen und Finanzen zur DNA der CSU. Hier manifestiert sich ihr Grundverständnis als Volkspartei, die Land und Stadt verbindet. Kaum vorstellbar, dass die CSU das Ministerium an die Freien abgibt.

Aiwanger fühlt sich überlegen

Dabei haben die Bayern ihren Landtag noch gar nicht gewählt, stehen die Kräfteverhältnisse nicht fest. Dass Aiwanger trotzdem mit seinen Forderungen nach außen geht, zeigt, wie überlegen er sich der CSU gegenüber fühlt. Und Söder kann ihm wenig entgegensetzen. Er hat sich ihm ausgeliefert, nicht nur mit seiner frühen Festlegung auf die Freien Wähler als einzig denkbarem Partner. Dass er Aiwanger während der Flugblattaffäre wider der eigenen Überzeugung im Amt gehalten hat, getrieben von der Sorge, ein Rauswurf könnte seine Märtyrerrolle nur befördern, versteht der Niederbayer als Freibrief.

Die Koalitionsverhandlungen dürften deshalb weit weniger geräuschlos vonstatten gehen als noch vor fünf Jahren. Damals hatte Aiwanger das Bild vom Sumoringer bemüht, vor dem sich hüten solle, wer mit ihm ins Bett geht. Aktuell sieht sich Aiwanger als Sumoringer, vor dem sich die CSU hüten muss. Es wird spannend, wie Söder den Entfesselten wieder einfangen will.

Ein trügerischer Schluss

Doch auch die Freien Wähler haben mit Aiwanger ein Problem. Im Moment berauschen sie sich an den Umfrageergebnissen und halten still. Sie nehmen in Kauf, dass der Niederbayer ihre Partei nach rechts schiebt, immer näher an die AfD. Er spekuliert auf die Stimmen konservativer Wähler, die aus Protest die mindestens in Teilen rechtsextreme Partei wählen. Aiwanger wird sich nach den Umfragen bestätigt sehen. Ein Trugschluss, der die Freien teuer zu stehen kommen könnte. Denn ihre Klientel ist zwar konservativ. Rechtsradikal aber ist sie nicht.

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