Debakel um Corona-Impfstoffe: Retten, was noch zu retten ist

27.1.2021, 15:38 Uhr
An der Impfbereitschaft in der Bevölkerung fehlt es nicht, an Impfstoffen schon.

© Karina Hessland, imago-images An der Impfbereitschaft in der Bevölkerung fehlt es nicht, an Impfstoffen schon.

Schon lange vor der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus wurde von Politik und Wissenschaft immer wieder klar gemacht, dass uns letztlich nur eine Impfung von der Pandemie befreien kann. Viele Bürgerinnen und Bürger konnten es deswegen kaum erwarten, selbst an die Reihe zu kommen. Sie erkundigten sich im Netz schon früh nach einem Termin, obwohl sie wussten, sie würden erst in Monaten damit rechnen können.


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Und nun? Beinahe täglich erhalten wir schlechte Nachrichten zum Thema Impfen. Hersteller kündigen an, dass sie ihre Verträge nicht im vereinbarten Umfang erfüllen können. Unklarheiten über das Verhältnis Impfdosen/Ampullen führen zu Abrechnungs- und Lieferproblemen. Andere Staaten wie Israel, England und die USA führen uns vor, wie es besser funktionieren könnte.

Das ist in mehrfacher Hinsicht fatal. Wir müssen wegen der Verzögerungen voraussichtlich länger als erwartet mit der Pandemie leben. Übersetzt heißt das: Mehr Menschen werden sterben und mehr Betriebe pleite gehen. Die Bevölkerung verliert das Vertrauen in das Krisenmanagement der Regierung.

Nicht alle Fehler sind der Politik anzulasten

Man muss gerecht sein. Nicht alles ist der Politik anzulasten. Es gibt Unwägbarkeiten wie Zulassungs- und Produktionsprobleme, die angesichts des erforderlichen Tempos im Kampf gegen Corona kaum zu vermeiden waren. Aber immer deutlicher erweist es sich, dass bei der gemeinsamen Impfstoffbestellung der Europäischen Union unfassbar vieles schief gelaufen ist.


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So richtig die Grundidee war, auf einen gemeinsamen Einkauf zu setzen, so falsch und laienhaft wurde sie offensichtlich umgesetzt. Die Verträge scheinen zu ungenau formuliert gewesen zu sein, die Unterhändler waren zu sparsam unterwegs (als ob das bei einer weltweiten Pandemie noch wichtig wäre) und selbst angesichts von finanziellen Vorleistungen für Entwicklung und Produktion sind die Firmen gegenüber der EU nicht zu einer wünschenswerten Transparenz verpflichtet.

Die Bundesregierung kann sich nicht darauf herausreden, es sei ja „Europa“ gewesen, das versagt habe. Den Verhandlungsprozess hätte man engmaschig begleiten müssen.

Diese drei Schritte der Kanzlerin wären jetzt nötig

Angela Merkel und ihr Kabinett sollten jetzt dreierlei tun. Erstens: Sie sollten die Pannen nicht mehr länger schön reden, denn das ist lächerlich. Es wird Zeit für einen Auftritt der Kanzlerin, in dem sie die Probleme benennt. Zweitens: Die deutsche Regierung muss sich in die laufenden Verhandlungen Brüssels mit den Impfstoffherstellern nach Kräften einbringen, um noch möglichst viel zu retten. Drittens: Nun müssen vielleicht trotz aller ursprünglichen Absichten ergänzende nationale Verträge geschlossen werden, weil man sich ja offensichtlich alleine auf die Kompetenz der EU nicht verlassen kann.

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