Der Endzeit-Bluff von Bugarach

18.12.2012, 11:33 Uhr
Der Endzeit-Bluff von Bugarach

© Pascal Pavani/dpa

Jean-Pierre Delord ist ganz zuversichtlich. "Es wird auch am 22. Dezember in Bugarach weitergehen." Damit teilt der Bürgermeister des 200-Seelen-Ortes in den französischen Pyrenäen nicht nur die Meinung all jener, die die Theorien vom Weltuntergang nach dem Maya-Kalender am Freitag als bizarre Spinnerei abtun. Delord liegt auch auf der Linie derer, die tatsächlich an eine Apokalypse glauben, von der zumindest ein Ort verschont bleiben soll: Bugarach. Ein Gerücht, das der südwestfranzösischen Gemeinde zu unverhoffter Weltberühmtheit verholfen hat.

Delord interessiert aber in erster Linie, was aus Bugarach wird, wenn der Hype um das Dorf zwangsläufig abflauen wird, weil auch die restliche Welt den 21. Dezember überlebt hat. Die Sorge, über die ersehnte Ruhe hinaus schnell wieder in Vergessenheit zu geraten, scheint aber unbegründet. "Ich wurde bereits kontaktiert von Regisseuren", sagt Delord. Der rührige Rathaus-Chef hat zwei Sicherheits-Sonderkommandos beantragt, die bereits ab heute (Dienstag) den Zugang zum Hausberg Pic de Bugarach sperren.

Auf den Wunsch des Präfekten hin suchen Höhlenforscher im Inneren des Berges nach eventuellen Versteckten. Rund 250 Journalisten aus aller Welt haben sich angemeldet. "Alle Kameras werden auf uns gerichtet sein", erklärt Delord. Denn es kursiert die Behauptung, dass in dem 1231 Meter hohen Berg Außerirdische schlummern, die am 21. Dezember erwachen und nur die Menschen von Bugarach vor dem Inferno retten. Eine Startbahn für Ufos soll es geben.

Es hieß, Endzeitjünger aus der ganzen Welt stiegen hier ab und hielten mysteriöse Treffen ab. Kuriose Fantasien, die das Internet gebiert und die die Medien seit ein, zwei Jahren aufgreifen. Vor Ort finden die Journalisten allerdings statt der erwarteten Horden von Illuminaten meist Wander-Urlauber, gereizte Ortsbewohner und nur vereinzelt Anhänger mystischer Theorien - vor allem aber Kollegen, ebenfalls auf der Spur nach dieser vermeintlichen Weltuntergangs-Hysterie.

Raffinierte Werbestrategie?

Bürgermeister Delord reagiert einerseits genervt auf all die Anfragen von Medien aus dem In- und Ausland, dann wieder schmeicheln sie ihm. Viele halten ihn sogar für die Quelle des Gerüchts vom Weltuntergangs-Zufluchtsort. "In einem Interview Ende November 2010 war er der Erste, der öffentlich davon gesprochen hat, dass Bugarach der einzige Ort auf der Welt sein solle, der vor der Apokalypse verschont wird", sagt die Soziologin Véronique Campion-Vincent.

Der gewitzte Rathauschef verteidigt sich, er sorge sich lediglich um die Sicherheit im Ort, spricht aber auch offen über den Profit, den Bugarach aus seiner neuen Bekanntheit zieht: "Es ist der tollste Werbe-Coup, den man sich vorstellen kann." Inzwischen gibt es Souvenir-Artikel von der Wünschelrute bis zu Wein-Flaschen mit anspielungsreichen Etiketten: "Bugarach - Wenn nur einer bleibt, werde ich es sein."

Den mystischen Ruf der Region hat nicht erst Delord erfunden, sondern er hat Tradition, auch durch die wilde, trockene Natur und den Felsen mit dem Beinamen "der umgekehrte Berg": durch eine geologische Faltung befinden sich seine ältesten Schichten über den jüngeren, was seit jeher die Legendenbildung befeuert hat. "Diese Gegend verfügt über eine außergewöhnliche Konzentration spirituellen Glaubens", erklärt die belgische Anthropologin Justine Vleminckx. "Seit langem gilt der Boden hier fruchtbar für die spirituelle Suche, die Rückkehr an die Quellen, auf den Boden und vielleicht zu sich selbst."

Wieder zu sich selbst finden - das können die Einwohner von Bugarach wohl ab dem 22. Dezember. Für die meisten von ihnen wird dieser Tag ein ersehnter Wendepunkt; ganz ohne Maya-Kalender.

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