Deutsch erobert die USA

13.6.2009, 00:00 Uhr
Deutsch erobert die USA

© Food from Bavaria

In Deutschland war er noch nie, doch um wichtige deutsche Begriffe ist er nicht verlegen. Mit «Prost« anzustoßen lernte er von Nachbar Jack, der als Rentner im «Beethoven Männerchor« Trompete spielt und ihn letztes Jahr erstmals zu einem «Beerfest« mitnahm. «The Schnitzel was ubergut«, erinnert er sich - wobei «uber« nichts anderes als ganz besonders gut kennzeichnen soll - in Anlehnung an das deutsche «über« - wie bei übermenschlich oder überdurchschnittlich.

Amerikaner wie Eddie sind ganz aus jenem Holz geschnitzt, das sich Chris Haller aus Denver im Bundesstaat Colorado für seine Mitbürger wünscht. Der Stuttgarter zog vor fünf Jahren in die USA, heiratete eine Einheimische und überlegte, wie er ihr am besten Deutsch beibringen kann. Er begann mit jenen Begriffen, die längst Bestandteil der englischen Sprache sind - und entdeckte das, was er als ein Phänomen bezeichnet: dass von Alaska bis Florida mehr Germanismen im Umlauf sind, als er jemals angenommen hatte.

Leser-Favoriten

Nun hat es sich Chris Haller zum Ziel gesetzt, den Gebrauch deutscher Begriffe in den USA auszuweiten - mit seiner dafür eigens eingerichteten Webseite «spreadgermanisms.com«. Es gebe jede Menge Anglizismen in der deutschen Sprache, sagt Haller - aber nicht genug Deutsch im englischen Sprachraum. Auf Hallers Homepage finden sich deshalb auch in regelmäßigen Abständen neue Leser-Favoriten - von «Gesamtkunstwerk« über «Mauerblümchen« bis hin zu «Wonneproppen« und «Scheißerle« als sicher nicht unumstrittenes Kosewort für ein Kleinkind.

Wunderkinder und Zeitgeist

Das sind Germanismen, die natürlich im Kulturteil der ehrwürdigen New York Times weniger häufig eine Chance haben. Dafür aber verweisen die Formulierkünstler des US-Blattes immer wieder gerne auf «Wunderkinder« bei Musikdarbietungen oder den «Zeitgeist«, der sich in mancher Ausstellung manifestiere. Ein Wort, das die Amerikaner - wagen sie sich denn auf teutonisches Terrain - eher als «Saidgaist« aussprechen.

Politik-Berichterstatter griffen zu Zeiten George W. Bushs gerne auf den «Blitzkrieg«-Begriff im Zusammenhang mit der Irak-Invasion zurück - und reden heute immer wieder von «Angst«, um die Furcht von Amtsträgern vor unbequemen Entscheidungen zu kennzeichnen. Auch hat die «Schadenfreude« längst einen Stammplatz im Vokabular von US-Kommentatoren, die sich mit ihren Analysen kosmopolitisch geben wollen.

Experten kratzen sich angesichts dieses Trends zu Germanismen den Kopf. Auch Stefan Brunner, Leiter der Sprachabteilung des Goethe-Instituts in Washington, hat keine Erklärung für das Phänomen gefunden. Ein Grund könnte in der Herkunft mancher US-Bürger liegen. Immerhin behaupten 17 Prozent von ihnen - also rund 50 Millionen -, deutsche Vorfahren zu haben. Und Deutsch rangiert nach Spanisch und Französisch an dritter Stelle der Popularitätsskala.