Die bewegten letzten Tage des Franz Josef Strauß

3.10.2018, 06:00 Uhr
Die bewegten letzten Tage des Franz Josef Strauß

© Foto: Harry Melchert/dpa

Der Ministerpräsident habe einen Kreislaufkollaps ohne ernsthafte Folgen erlitten, verkündet Tandler. Man gehe davon aus, dass "bei der bekannt robusten Gesundheit des Ministerpräsidenten bald wieder gute Nachrichten ins Land ziehen".

Das war am Samstag, genau um 23.02 Uhr. Zuvor war eine Notoperation gescheitert. Pater Camillus Halbleib hatte Strauß bereits um 21.30 Uhr die Letzte Ölung gespendet.

Eine Woche später spricht Josef Kardinal Ratzinger, der spätere Papst, bei der Beisetzung von Strauß in der Familiengruft in Rott am Inn: "Wie eine Eiche ist er gefällt worden."

Anzeichen ignoriert

Tatsächlich hatte Strauß selbst alle Gefahrenzeichen wie Bluthochdruck und Diabetes ignoriert, Ärzte nach Möglichkeit gemieden und sein Amt in barocker Prächtigkeit ausgefüllt. Nur einmal, nach dem Unfalltod seiner Frau Marianne 1984, hatte er sich in Bad Griesbach eine vierwöchige Auszeit gegönnt. Einen "Hexenschuss" nannte er damals als Begründung. Doch dann stürzte er sich umso vehementer in die Arbeit. Wie auch in seinen letzten Tagen.

Die bewegten letzten Tage des Franz Josef Strauß

© Archivfoto: Fritz-W. Etzold

Am Freitagabend war er zum 70. Geburtstag des Nürnberger Bauunternehmers Paul Brochier gefahren. Samstagvormittag Oktoberfest mit Hendl und Haxn, zwischendurch ein Interview zur umstrittenen Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, später eines zu Gorbatschows Machtkampf im Kreml, — und dann im Polizeihubschrauber zur Hirschjagd bei Regensburg mit dem Fürsten Johannes von Thurn und Taxis.

Dramatischer Flug

Dabei war schon die ganze Woche mit Terminen vollgestopft gewesen. Staatsbesuch aus Malaysia, zuvor eine kurze Flugreise nach Rhodos und Bulgarien, bei der der Hobbyflieger selbst am Steuerknüppel sitzt: Plötzlicher Druckabfall in gut 10.000 Metern Höhe. Strauß geht in den Sturzflug. Als der Flieger nur noch 3000 Meter hoch ist, schafft es Strauß, sich die Sauerstoffmaske übers Gesicht zu ziehen. Schließlich fängt er die Maschine ab und landet wohlbehalten. Später rätseln Ärzte, ob dieser Zwischenfall den späteren Zusammenbruch mit ausgelöst hatte.

Am Jagdschloss Aschenbrennermarterl bei Regensburg landet der Hubschrauber am Samstag, gegen 15.50 Uhr. Strauß setzt sich in einen Wagen. "Halt", sagt er zum Chauffeur, "der Flug war ein bisschen anstrengend. Warten Sie noch." Dann sackt der 73-Jährige in sich zusammen.

Sofortige Wiederbelebung

Das fürstliche Personal beginnt sofort mit der Wiederbelebung, wenig später greift Notarzt Rainer Tichy, damals 40, ein. Strauß ist wegen seines "Fass-Thorax" ein schwieriger Patient. Auch beim Setzen einer Atemhilfe (Tubus) gibt es Probleme. Essensreste gelangen in die Lunge.

Und dann ein Wirrwarr der Kompetenzen. Münchner Ärzte kommen samt Ausrüstung nach Regensburg, was die Mediziner in der Domstadt ärgert. Und bald ist das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in einem Belagerungszustand.

Polizeieinheiten werden aus Wackersdorf abkommandiert, um die Klinik abzuschirmen. Angeblich waren Journalisten in Arztkittel geschlüpft, um auf der Intensivstation der Klinik etwas zu erfahren. Eine Schwester verspricht den Journalisten abends vor Dienstantritt, mit dem Vorhang zu wackeln, wenn Strauß stirbt. Nichts wackelt.

Pompöser Abschied

Unter den Presseleuten gibt es nachts Rangeleien, weil besonders Eifrige die Telefonzellen blockieren. Mobilfunk ist damals noch die Ausnahme. Bis Montagmorgen hält der Belagerungszustand an. Um 11.45 Uhr berichtet die Deutsche Presseagentur per Eilmeldung, dass Franz Josef Strauß einem Herz-Kreislauf-Versagen erlegen ist.

Es folgt ein pompöser Abschied: "Für keinen König konnte es großartigere Trauerfeierlichkeiten geben", meint der Historiker Horst Möller. Das Spektakel beginnt in der St.-Pius-Kapelle des Regensburger Krankenhauses, wo Tausende an dem Sarg vorbeiziehen. Der Höhepunkt dann in München. Der geschlossene Sarg wird im Prinz-Carl-Palais aufgebahrt, sechs Pferde ziehen den Sarg von Franz Josef Strauß am 7. Oktober 1988 durch den Mittelbogen des Münchner Siegestores. Zehntausende Trauernde säumen die Straßen, um dem Ministerpräsidenten die letzte Ehre zu erweisen. 70 Staats- und Regierungschefs sind nach München gekommen.

Das Finale in Rott am Inn im Landkreis Rosenheim, wo Strauß’ verstorbene Ehefrau begraben ist. Ärger gibt es nur um die Blumen von Strauß’ Verlobter Renate Piller, einer Mittvierzigerin, die aber von den Strauß-Kindern angefeindet wird, wie sie einer Illustrierten später erzählt.

Eine Zeit lang dient die Kaiser-Gruft — benannt nach einem früheren Besitzer — als Wallfahrtsort. Inzwischen ist es still dort geworden.

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