Die doppelte Mahnung: Gegen Rassismus und Nationalismus

8.5.2020, 04:59 Uhr
Der sowjetische Soldat Militon Kantarija aus Georgien hisst am 2. Mai 1945 die sowjetische Flagge auf dem Berliner Reichstag. Deutschland hatte den Zweiten Weltkrieg verloren.

© Jewgeni Chaldej/Tass/dpa Der sowjetische Soldat Militon Kantarija aus Georgien hisst am 2. Mai 1945 die sowjetische Flagge auf dem Berliner Reichstag. Deutschland hatte den Zweiten Weltkrieg verloren.

Der 8. Mai 1945? Aus heutiger Sicht für die meisten Zeitgenossen ganz klar ein Tag der Befreiung. Das war nicht immer so. Das Kriegsende in Deutschland, betrachtet aus der Perspektive von Opfern alliierter Bombenangriffe, wurde als krachende militärische Niederlage eingestuft. Noch heute gibt es Politiker , die schamlos die Klaviatur der Ewiggestrigen bedienen. Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alexander Gauland, ist so ein Politiker. Er spricht mit Blick auf den 8. Mai von‘45 von "einem ambivalenten Tag", einem den er eben auch mit "der absoluten Niederlage" Deutschlands verbindet.


Auch nach Kapitulation: Hitlers Nachfolger zeigten keine Reue 


Bis heute bleibt die Annäherung an das Ende des Zweiten Weltkrieges somit umstritten – und wird politisch instrumentalisiert. Seit nunmehr 35 Jahren wird über die Einordnung und Bedeutung dieses Tages heftig diskutiert. Damals, am 8. Mai 1985, sprach Richard von Weizsäcker mit Blick auf den 8. Mai 1945 von einem "Tag der Befreiung" Deutschlands durch die alliierten Truppen — und fixierte einen bis heute gültigen Eckpfeiler deutscher Erinnerungskultur.

Weizsäcker hat viel Richtiges über das Gedenken ans Kriegsende gesagt: Denn befreit wurde Deutschland tatsächlich — zuallererst von der Nazi-Diktatur. Dann von Adolf Hitlers wahnwitzigen Vorstellungen einer angeblich überlegenen Rasse. Schließlich von der Fortsetzung eines von Hitler angezettelten Krieg, der über 60 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte. Befreit wurden auch Zigtausende Opfer der Nazi-Schergen aus den Konzentrationslagern.

Ein Ende des grausamen Mordens

Dass dieses Schlachten und Morden eine Ende hatte, das war das Verdienst der US-Truppen, der Roten Armee, der britischen und der französischen Soldaten. Deutschland hat dieser Hilfe von außen bedurft. Im Inneren mangelte es den Widerstandsgruppen an der Kraft, Hitler zu Fall zu bringen.


Vor 75 Jahren: Zeitreise zum Ende des 2. Weltkriegs in Nürnberg 


Dass auch die Siegermächte ihre liebe Not im Umgang mit der Erinnerung an den gemeinsam errungenen Erfolg haben, zählt zur Tragik der Geschichte. Schon im Herbst 1945 zeichnete sich ab, dass aus den Alliierten eine heillos zerstrittene Truppe geworden war. Hier die Sowjets, dort die Westalliierten. Der Ausgang ist bekannt: Erst ein geteiltes Deutschland, dann ein geteiltes Europa. Dem Zweiten Weltkrieg folgte der Kalte Krieg, der eine bis 1989 andauernde weltpolitische Bipolarität zur Folge hatte.

Der 8.Mai ist also in doppelter Hinsicht ein würdiger Gedenktag. Zum einen, weil der dem Treiben von Rassisten, Antisemiten und Menschenfeinden ein Ende gesetzt hat. Sich daran zu erinnern, ist von zeitloser Aktualität. Umso mehr, als wir in einem Land leben, in dem Antisemitismus und Alltagsrassismus wieder auf dem Vormarsch sind.

Das Geschehen vor 75 Jahren nicht aus den Augen zu verlieren, leitet sich zum anderen auch aus dem Zerbrechen der Alliierten ab. Was damals in Nürnberg mit der Eröffnung des Hauptkriegsverbrecherprozesses so verheißungsvoll begonnen hat, ist letzten Endes krachend gescheitert. Das Weltgericht, also ein Tribunal, das wirksam und anerkannt über das Völkerstrafrecht wacht, bleibt auch 2020 eine Vision.

Nürnberg macht dennoch Hoffnung

Solange die mächtigsten Staaten, allen voran die USA, China und Russland sich einer unabhängigen Weltjustiz entziehen, solange wird es nichts mit der Gewissheit, auf Dauer friedvoll zusammenzuleben. Was bleibt ist die Hoffnung, die sich eben auch und gerade aus der Erinnerung an den 8. Mai 1945 speist. An den Tag der Befreiung Deutschlands.

Und an einen Tag, der von der Kraft des Supranationalen erzählt. Beides brauchen wir heute nötiger denn je. Um nationale Egoismen, wie sie auch in Europa zu auf dem Vormarsch sind, einzudämmen. Der 8. Mai eignet sich deshalb hervorragend als Gedenktag.

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