Rot-Rot-Grün unter der Lupe

Die umstrittenste aller Koalitionen: Debatte über das Linksbündnis

7.9.2021, 14:16 Uhr
Die Linkspartei wäre durchaus an einem Bündnis mit SPD und Grünen interessiert.

© Paul Zinken/dpa Die Linkspartei wäre durchaus an einem Bündnis mit SPD und Grünen interessiert.

Fachleute sind sich einig, dass die Bundestagswahl heuer so spannend wie selten zuvor wird. Das liegt vor allem an der Vielzahl der Koalitionsmöglichkeiten, die sich nach dem 26. September auftun könnten. Wir stellen in einer Serie die möglichen Bündnisse, ihre Vorgeschichte, inhaltliche Knackpunkte und personelle Konsequenzen vor. Heute Rot-Grün-Rot.

Neutrale oder desinteressierte Äußerungen zu einem Linksbündnis findet man äußerst selten. Die einen prophezeien für diesen Fall mehr oder weniger den Untergang Deutschlands. Die anderen sind der Meinung, es sei durchaus mal reizvoll, wenn eine solche Dreier-Koalition links der Mitte zustande komme und bürgerlich-liberale Parteien wie CDU, CSU und FDP eine Legislaturperiode pausieren müssen.

Tatsächlich wäre es auf Bundesebene eine Neuerung - lange Zeit hatten sich die Sozialdemokraten einer Zusammenarbeit mit den Linken kategorisch verweigert. Das hatte zwar vor allem mit den Inhalten zu tun (dazu später mehr), aber auch mit dem Personal. Der frühere SPD-Chef und spätere Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine galt als eine der größten Hürden für eine solche Kooperation. 2013 erklärte der SPD-Vorstand seine grundsätzliche Bereitschaft für Koalitionen.

In drei Ländern ausprobiert

In den Bundesländern wurde das Modell schon mehrfach ausprobiert. Derzeit werden Thüringen (seit 2014), Bremen (seit 2019) und Berlin (seit 2016) von dieser Farbkonstellation regiert. Die Anfänge liegen noch weiter zurück. In Sachsen-Anhalt gab es in den 90er Jahren das "Magdeburger Modell" . Dabei handelte es sich zwar um keine Koalition, aber immerhin um die Duldung einer Minderheitsregierung aus SPD und Grünen durch die Linken bzw. die PDS.

Rein rechnerisch hätte "R2G" - so ein anderer Name für das Bündnis - im Bund durchaus schon parlamentarische Mehrheiten gehabt. 2005, nach dem Ende der rot-grünen Koalition, hätte es dafür gereicht. Und auch 2013 wäre eine Linkskoalition möglich gewesen. Beide Male kam es stattdessen zu einer Großen Koalition aus Union und SPD.

Heuer könnte es wieder einmal so weit sein, dass zumindest die Zahlen für Rot-Grün-Rot ausreichen würden. Derzeit sagen sechs von sieben führenden Meinungsforschungsinstituten eine Mehrheit voraus. Je nach Umfrage würden SPD, Grüne und Linke mit zwei bis acht Prozentpunkten vor den anderen Parteien führen. Hinzu kommt, dass die Bereitschaft der Sozialdemokraten größer zu sein scheint als in den vergangenen Jahren. Vorsitzende Saskia Esken bezeichnete eine solche Koalition immerhin als "möglich und denkbar".

Scholz schließt nichts aus

Kanzlerkandidat Olaf Scholz verhält sich da anders. Er weist bei jeder Gelegenheit darauf hin, wie hoch für ihn die Hürden eines solchen Bündnisses wären. Es gebe "unverhandelbare" Anforderungen an die Linken, zum Beispiel ein klares Bekenntnis zur Nato und zu soliden Haushalten. Auch bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr sowie bei Vermögenssteuer und Vermögensabgabe und bei einer möglichen Abschaffung der Geheimdienste sind die Linken weit von grünen und sozialdemokratischen Vorstellungen entfernt. Von vorneherein komplett ausschließen will Olaf Scholz eine Linkskoalition allerdings nicht.

Das liefert der Konkurrenz Wahlkampffutter. Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, und CSU-Vorsitzender Markus Söder werden nicht müde, auf die Gefahren eines solchen Bündnisses hinzuweisen. Laschet versuchte unter anderem beim ersten Triell seinen Mitbewerber Scholz zu einer klaren Absage zu bewegen. Doch der ließ sich dadurch nicht erschüttern und wich einem "Ja" oder "Nein" beharrlich aus.

Als wichtigster Grund für diesen SPD-Kurs werden die Sondierungsgespräche nach der Wahl genannt. Scholz selbst wolle keinesfalls mit den Linken zusammenarbeiten, heißt es. Er bevorzuge eher eine Ampel mit Grünen und FDP. Doch um mögliche Partner von einem solchen Bündnis zu überzeugen, brauche er die Drohkulisse von R2G. Ob das eine eher nach links gerückte SPD-Bundestagsfraktion auch so sähe wie Scholz, ist allerdings die Frage.

Linke warnt vor "Wahlbetrug"

Und die Linkspartei selbst? Die verweist auf die Chancen einer solchen Regierung - zum Beispiel bei der Einführung eines höheren Mindestlohnes. Wenn die SPD dann am Ende einen Schwenk in Richtung FDP mache, so Spitzenkandidat DietmarBartsch, dann sei das ein glatter "Wahlbetrug".

Verwandte Themen


4 Kommentare