Digital-Wirrwarr an den Schulen: Wer ist schuld am Chaos?

23.1.2021, 20:31 Uhr
Gerade die bayerische Plattform Mebis geriet in den vergangenen Wochen in die Kritik. 

© via www.imago-images.de, NN Gerade die bayerische Plattform Mebis geriet in den vergangenen Wochen in die Kritik. 

Der Föderalismus hat seine Tücken. Gerade in der Schulpolitik sind Deutschlands Bundesländer größtenteils autonom, arbeiten ihre Lehrpläne aus, sie formen den Unterricht - und forcieren die Digitalisierung. Lernplattformen wie Mebis in Bayern sollen in der Corona-Pandemie die Infrastruktur für den Distanzunterricht liefern.


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Seit Monaten ist das Portal aber in der Kritik. Hackerangriffe, Sicherheitslücken, immer wieder kollabierten die staatlichen Server unter der Last Zehntausender Schüler, die zeitgleich auf Mebis zugreifen wollten. Einen "Systemcrash mit Ansage" nannten das etwa die Grünen im bayerischen Landtag, für die FDP waren die Ausfälle ein "trauriges Symbolbild des Scheiterns". Mittlerweile läuft Mebis stabiler, Lehrer und Schüler berichten aber immer wieder von teils massiven Problemen.

"Ressourcen und Know-how bündeln"

"Derzeit fliehen gerade wieder viele Schulen aus den nicht funktionierenden staatlichen Lernplattformen", sagt jetzt Hans-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, gegenüber der Bild-Zeitung. "Weil nichts frustrierender ist, als wenn man alle Fortbildungen gemacht hat, dann aber die Systeme versagen."

Der Digitalverband Bitkom forderte erst kürzlich ein bundeseinheitliches Lernsystem. "Fast ein Jahr nach Beginn der Pandemie sind unsere Schulen noch immer nicht in der Lage, flächendeckend digitalen Fernunterricht anzubieten", sagte der Bitkom-Präsident Achim Berg. "Wir müssen die Ressourcen und das Know-how der Länder bündeln, um ein bundeseinheitliches Angebot zu entwickeln." Nur so seien die Probleme in den Griff zu bekommen.

Plattformen waren nie auf kompletten Distanzunterricht ausgelegt

In der Tat: Alle 16 Bundesländer betreiben eigene staatliche Lernplattformen, dazu kommen unzählige Privatanbieter, die die Versorgungslücken schließen sollen. Das klappt kaum. Gerade zu Stoßzeiten, wenn besonders viele Schüler gleichzeitig im Distanzunterricht sind, stürzen die Server ab.

Die Plattformen seien unter anderen Voraussetzungen konzipiert worden, erklärt Christopher Bick von Stashcat, einem privaten Anbieter, der Bild-Zeitung. Es habe nie den Plan gegeben, alle Schüler gleichzeitig von zuhause aus zu unterrichten. Allenfalls begleitend habe man auf die digitalen Konzepte setzen wollen. Das hat sich nun durch die Pandemie geändert. Der Explosion an Nutzern seien die Systeme nicht gewachsen.

Corona zwingt "uns das in kürzester Zeit zu tun"

Benjamin Heindl, Geschäftsführer IServ, legt gegenüber der Bild nach: Auch das Personal sei ein Problem. "Bei unseren Schulungsangeboten vor Ort haben wir, glaube ich, nie mehr als 50 Prozent der Lehrerschaft in einer Schule erreicht", sagt der Unternehmer, der eine private Lernplattform betreibt. "Das liegt auch daran, dass die Personaldecke an den Schulen extrem angespannt ist. Die Lehrer geben derzeit ihr Bestes und gehen am Limit."

Geld, sind sich Experten einig, ist genug vorhanden - bislang wurde es nicht richtig genutzt. Die Regierungen der Länder investieren hohe Millionensummen in die Lernplattformen. „Wir hätten bereits vor fünf, sechs Jahren, spätestens mit dem Digitalpakt die Digitalisierung vorantrieben können", sagt Bick von Stashcat gegenüber der Bild. "Jetzt zwingt uns Corona das in kürzester Zeit zu tun." Immerhin, so der Unternehmer, bewege sich nun etwas.

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