Drohbriefe "NSU 2.0": Bayerischer Ex-Polizist verdächtig

27.7.2020, 16:38 Uhr
Ein Demonstrantin hält während einer Kundgebung in der Wiesbadener Innenstadt ein Plakat mit der Aufschrift "Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0". Anlass der Protestaktion war eine Sitzung des Landtags-Innenausschusses zu der Affäre um rechtsextreme Drohschreiben. 

© Arne Dedert, dpa Ein Demonstrantin hält während einer Kundgebung in der Wiesbadener Innenstadt ein Plakat mit der Aufschrift "Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0". Anlass der Protestaktion war eine Sitzung des Landtags-Innenausschusses zu der Affäre um rechtsextreme Drohschreiben. 

Bereits am Freitag hatten Mitarbeiter des hessischen Landeskriminalamtes und der bayerischen Polizei eine Wohnung in Landshut durchsucht und einen 63 Jahre alten ehemaligen Polizeibeamten und seine Frau festgenommen. Der Mann war nach Auskunft von Frankfurts Oberstaatsanwältin Nadja Niesen bereits in der Vergangenheit wegen rechtsmotivierter Straftaten aufgefallen. Ob es sich dabei um den Mann handelt, der als Autor unter dem Pseudonym "Prinz Eugen" auch für ein neu-rechtes Internetportal schreibt, wollte die Oberstaatsanwältin auf Anfrage von nordbayern.de weder bestätigen noch dementieren.

Verdächtige sind wieder frei

Der Ex-Polizist und seine Frau stehen nach Angaben der Ermittlungsbehörde in Verdacht, mehrere E-Mails mit "beleidigenden, volksverhetzenden und drohenden Inhalten" an Bundestagsabgeordnete und andere Politiker sowie an Künstler verschickt zu haben. Das Ehepaar befindet sich aber wieder auf freiem Fuß, da die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nicht gegeben waren, heißt es in Frankfurt.

Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz erhielt als erste eine anonyme Todesdrohung, gekennzeichnet mit "NSU 2.0". Sie hat im NSU-Prozess um Beate Zschäpe die Witwe des in Nürnberg getöteten Blumenhändlers Enver Simsek vertreten.

Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz erhielt als erste eine anonyme Todesdrohung, gekennzeichnet mit "NSU 2.0". Sie hat im NSU-Prozess um Beate Zschäpe die Witwe des in Nürnberg getöteten Blumenhändlers Enver Simsek vertreten. © Boris Roessler

Derweil werden nun die sichergestellten Datenträger ausgewertet. Es laufen weitere Ermittlungen gegen die beiden wegen des Verdachts der Bedrohung, der Volksverhetzung, der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung von Verfassungsorganen sowie der Beleidigung.

Weitere Verdächtige gebe es derzeit nicht, sagte Oberstaatsanwältin Niesen gegenüber unserer Redaktion. Jedoch sind seit Sommer 2018 rund 80 Drohmails versendet worden. Ob hinter all den brutalen schreiben das Landshuter Paar steckt, ist derzeit unklar. Zunächst ging eine Todesdrohung an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die eine Opferfamilie im NSU-Prozess vertreten hatte. Auch andere Opferanwälte, die hessische Linken-Politikerin Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar erhielten solche anonymen Mails. In mindestens drei Fällen wurden die persönlichen Daten der Betroffenen, die nicht öffentlich zugänglich sind, kurz vorher von Frankfurter Polizeicomputern abgerufen. Seitdem wird in Hessen in Polizeikreisen ermittelt.

Rechtsextreme Polizeichats

Auch die Grünen-Spitzenpolitiker Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast und Anton Hofreiter wurden mit Schreiben, die den Absender "NSU 2.0" tragen, bedroht. Im Zuge der Ermittlungen flog eine hessische Polizei-Chatgruppe auf, die rechtsextremistische Inhalte propagiert haben soll. Mitte Juli war der hessische Landespolizeipräsident Udo Münch (64) im Zuge der Affäre zurückgetreten. Münch hatte sich vorgeworfen, Informationen über die Datenabfrage aus dem Polizeicomputer nicht rechtzeitig weitergegeben zu haben.

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