Einfamilienhäuser verbieten? Das sagen die Baureferenten der Region

15.2.2021, 14:24 Uhr
Sind Eigenheime ökologisch schlecht und nehmen zu viel Platz weg? Darüber ist eine politische Debatte entbrannt. 

© Armin Weigel, NN Sind Eigenheime ökologisch schlecht und nehmen zu viel Platz weg? Darüber ist eine politische Debatte entbrannt. 

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat mit einer kritischen Aussage zum Neubau von Einfamilienhäusern eine hitzige Debatte über Eigenheime ausgelöst. Von der Linken erhält die Partei nun Unterstützung, von CDU und FDP hagelt es dagegen massive Kritik.

Doch worum geht es? Der Anlass für die Debatte ist eigentlich schon ein Jahr alt: Als im Februar 2020 der Grünen-Politiker Michael Werner-Boelz zum Leiter des Bezirks Hamburg-Nord gewählt wurde, kündigte er wegen des großen Bedarfs an Wohnraum in der Metropole an, keinen neuen Einfamilienhausbau mehr genehmigen zu wollen.


Teures Wohnen in Nürnberg: Hohe Mieten sind nur fair


In einem Spiegel-Interview sprang Hofreiter seinem Parteikollegen nun bei und begründete die Entscheidung mit der "dramatischen Wohnungsnot" in der Gegend. Der Bezirk habe entschieden, Wohnraum für viele statt für wenige zu schaffen. Zudem sagte er: "Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr." Gleichzeitig stellte Hofreiter klar: "Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten."

"Grüne wollen Freiheit einschränken"

Kritik für die Aussage folgte prompt: Nordrhein-Westfalens Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sagte der Neuen Westfälischen, die Haltung der Grünen sei "von vorgestern" und zeige "einmal mehr, dass sie einfach ein Problem mit Eigentum haben". Die CDU-Politikerin lehnt politischen Druck auf Besitzer von Einfamilienhäusern oder Menschen, die eines bauen wollen, ab. "Freiheit bedeutet auch, die Freiheit zu haben, selbst zu entscheiden, wie man wohnen möchte", sagte sie.

Hamburgs CDU-Landeschef Christoph Ploß sprach sich zudem gegen eine Koalition der Union mit den Grünen nach der Bundestagswahl aus. "CDU und Grüne - das passt nicht zusammen", sagte er der Bild-Zeitung. "Die Grünen wollen die Freiheit von immer mehr Bürgern einschränken", so seine Kritik.

Der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und bayerische FDP-Chef, Daniel Föst, sagte, die eigenen vier Wände und vor allem das Einfamilienhaus seien ein Wohlstandsversprechen und die beste Altersvorsorge. "Statt Bürgerinnen und Bürger in DDR-Plattenbauten zu pferchen", müsse die Politik endlich mehr Menschen den Weg ins Eigenheim ebnen.

Grüne: Kein pauschales Verbot geplant

Ein Sprecher der Grünen wies die massiven Vorwürfe allerdings zurück: "Wir unterstützen den Erwerb von Wohneigentum, setzen uns für günstige Mieten ein und fördern auch Sanierungen und ökologisches Bauen." Das Ziel der Grünen sei, "dass Menschen aus der Breite der Gesellschaft in Stadt und Land guten und bezahlbaren Wohnraum finden und dass so gebaut wird, dass Klima und Umwelt geschützt werden".

"Die eigenen vier Wände sind für viele Menschen wichtig - dazu gehört auch das Einfamilienhaus. Das wird es auch in Zukunft geben - so wie Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser, Mietshäuser", so der Grünen-Sprecher weiter. Ein pauschales Verbot sei nicht geplant. Was wo gebaut werde, entschieden die Kommunen vor Ort. Dabei werde etwa auch berücksichtigt, wie viel Fläche da sei und wie viel Leerstand es gebe.

Unterstützung in der Debatte erhielt Hofreiter von Linken-Chef Bernd Riexinger: "Man muss den Flächenverbrauch reduzieren, aus sozialen Gründen und aus Gründen des Klimaschutzes", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Deshalb können wir mit den Einfamilienhäusern nicht so weitermachen wie bisher. Wir sollten stattdessen in den Städten verdichten und Grundstücke so bebauen, dass mehr Wohnungen rauskommen - vor allem mehr bezahlbare Wohnungen."

Baureferenten in der Region sehen keine neue Debatte

Fragt man die Baureferenten in der Region zu der aktuell hitzigen Diskussion, zeigen die sich davon eher überrascht. "Die Debatte gibt es bereits seit den 80er Jahren", erklärt der Erlanger Baureferent Josef Weber. "Freistehende Häuser brauchen natürlich eine viel größere Fläche als andere Wohnformen. Das kann man in einer Stadt schon kritisch sehen. Denn Boden ist nun mal endlich."

Dennoch sei die Nachfrage nach den eigenen vier Wänden groß. "Darauf haben die Stadtplaner unterschiedlich reagiert, beispielsweise mit gestapelten Einfamilienhäusern oder Reihenhäusern." Letztere Form nimmt demnach bereits 40 Prozent weniger Grundfläche in Anspruch als freistehende Häuser; ein Fakt, der gerade in Städten bedacht werden muss.

In Erlangen versuche man verschiedene Formen anzubieten, allerdings gehe das schlicht nicht mehr überall, so Weber. "In unserem Stadtteil Büchenbach bieten wir zum Beispiel keine Fläche für Einfamilienhäuser an. Also auch wir haben reagiert, aber das heißt nicht, dass wir Einfamilienhäuser generell verteufeln."

"Künstlich herbeigeführt"

Der Nürnberger Baureferent Daniel Ulrich sieht es ähnlich. "Diese Debatte ist für mich künstlich herbeigeführt." In Städten seien Einfamilienhäuser sowieso Mangelware. Das hieße nicht, dass sie nicht ihre Berechtigung hätten. "In einer Stadt geht das aber nur, wenn man sie dicht zusammenpackt. Also sie sind nicht mehr das, was man sich früher darunter vorgestellt hat." Zwei Stockwerke, großer Garten, das könnten sich viele in der Stadt auch überhaupt nicht mehr leisten.


Kommentar zur Debatte ums Eigenheim: Kommunen sind am Zug


Aber auch auf dem Land seien nicht alle Einfamilienhäuser unbedingt die beste Lösung. "Früher war es üblicher, dass erst die Großeltern in dem Haus wohnten und es anschließend von den Kindern übernommen wurde. Aber dieser Plan geht heute nicht mehr so oft auf."

32 Kommentare