Im Zweifel sind die Grünen immer koalitionstreu
Erst Ärger, dann Zustimmung: blaues Auge für Robert Habeck und Annalena Baerbock
26.11.2023, 15:00 Uhr
Parteitage einer Regierungspartei sind meistens kompliziert. Denn es sind zwei Dinge unter einen Hut zu bringen, die kaum unter einen Hut gebracht werden können: Man hat die Macht, könnte also theoretisch eigentlich alles umsetzen, was schon immer geplant war. Man muss aber auch zahlreiche Rücksichten nehmen - auf die Koalitionspartner, die Weltlage und nicht zuletzt - wie jetzt gerade in Deutschland - auf Entscheidungen des höchsten Gerichts.
Dieser Realitätsschock hat die Grünen voll erwischt. Unter normalen Umständen (kein Krieg in der Ukraine, keine Inflation, stabilere Weltwirtschaft) wäre es vielleicht möglich gewesen, das Klima- und Transformationsprogramm in großem Stil umzusetzen. Jetzt, angesichts der schweren Haushaltskrise, wird das eine oder andere Vorhaben gestrichen oder zeitlich gestreckt werden müssen.
Ähnlich ist es bei der Migrationspolitik. Ausgerechnet die traditionell zuwanderungsfreundlichen Grünen müssen erleben, dass die Kommunen und Kreise unter den Belastungen ächzen, die Koalitionspartner auf einer Begrenzung beharren und sich auch in der Gesellschaft die Meinung gedreht hat. Bürgerinnen und Bürger haben inzwischen einen genauen Blick darauf, ob der Staat etwas zur Entspannung der Lage tut oder nicht.
Der Frust der Basis
Insofern war es völlig normal, dass Teile der Basis und insbesondere die Jugendorganisation bei der Bundesdelegiertenversammlung ihren Frust erkennen ließen. Sie machten Stimmung gegen den migrationspolitischen Antrag des Bundesvorstandes mit dem Titel „Humanität und Ordnung“ - dies umso mehr, als in der Vergangenheit die Union bereits ein Programm mit demselben Titel herausgebracht hatte.
Robert Habeck und Annalena Baerbock wiesen ihre Kritiker darauf hin, dass die einzige Alternative zu den anstehenden Kompromissen ein Ausstieg aus der Regierung und damit der Verlust jeglicher Einflussnahme sei. Das überzeugte die Mehrheit der Delegierten. Auch das ein typischer Ablauf für die Debatten innerhalb einer Regierungspartei.
Die Delegiertenversammlung in Karlsruhe machte deutlich, dass die Ampel mit ziemlicher Sicherheit nicht vorzeitig scheitern wird - zumindest nicht an den Grünen. Die haben sich für einen pragmatischen Umgang mit der Macht entschieden. Partei- und Regierungsspitze können erst einmal aufatmen.
Nur in der Theorie rigoros
Auch wenn die Grünen im öffentlichen Auftreten und in der Programmatik rigoros erscheinen, so ist in Koalitionen Verlass auf sie. Das hatten sie schon bei ihrer ersten Regierungsbeteiligung (zwischen 1998 und 2005) bewiesen, als sie den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr mittrugen. Außenminister Joschka Fischer wurde damals mit einem Farbbeutel beworfen. Im Vergleich dazu war es jetzt regelrecht friedlich.
1 Kommentar
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen