Familienministerin Giffey verzichtet auf Doktortitel

13.11.2020, 18:03 Uhr
Franziska Giffey hatte erstmals Anfang 2019 mit schweren Vorwürfen im Zusammenhang mit ihrer 2010 vorgelegten Dissertation zu kämpfen.

© KAY NIETFELD, AFP Franziska Giffey hatte erstmals Anfang 2019 mit schweren Vorwürfen im Zusammenhang mit ihrer 2010 vorgelegten Dissertation zu kämpfen.

Noch am frühen Nachmittag war die Familienministerin bei einer Veranstaltung vor der Bundespressekonferenz ausdrücklich als "Frau Dr. Giffey" begrüßt worden. So, wie es eben bei Trägern des Doktortitels formal korrekt ist. Doch schon knapp zwei Stunden danach kursierten die ersten Meldungen, dass dies nicht mehr lange der Fall sein werde: Die Sozialdemokratin verzichte von sich aus auf den Titel.


Medien: Giffey soll Bürgermeisterin von Berlin werden


Das war vermutlich der einzige Weg für die 42-jährige Spitzenpolitikerin gewesen, ihre Karriere ohne die enorme Belastung des Plagiatsverfahrens fortsetzen zu können und 2021 vielleicht noch ein weiteres Mal politisch aufzusteigen. Denn sie soll bald Landesvorsitzende der Berliner SPD werden und nach dem Wunsch ihrer Partei einige Monate später die nächste Regierende Bürgermeisterin der Bundeshauptstadt.

Die Sozialdemokraten sind die traditionelle Berliner Regierungspartei. Sie stellten unter anderem die Bürgermeister Ernst Reuter, Willy Brandt und Klaus Wowereit. Derzeit liegen sie aber in den Umfragen mit 18 Prozent nur noch auf Platz drei, hinter CDU (21 Prozent) und Grünen (20). Sie haben also etliches aufzuholen. Und das kann nach Ansicht vieler Genossen nur mit der populären Bundesministerin und ehemaligen Neuköllner Bezirksbürgermeisterin geschehen.

In der Arbeit ging es um "Europas Weg zum Bürger"

Franziska Giffey hatte erstmals Anfang 2019 mit schweren Vorwürfen im Zusammenhang mit ihrer 2010 vorgelegten Dissertation zu kämpfen. Die Arbeit mit dem Titel "Europas Weg zum Bürger - Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft" stand unter Plagiatsverdacht. Sie gab bekannt, auf ihr Ministeramt verzichten zu wollen, wenn sie den Doktortitel verliere. Im Oktober 2019 entschied die Prüfungskommission der Freien Universität, dass trotz einer größeren Zahl von objektiven Täuschungen ein Entzug unverhältnismäßig und eine Rüge ausreichend sei. Die Politikerin konnte aufatmen.

Doch rund ein Jahr später nahm sich die Universität der Angelegenheit noch einmal an. Es sei eine erneute Prüfung durchzuführen, denn eine Rüge könne nur bei einem minder schweren Fall ausgesprochen. Für Giffey und die Berliner SPD hätte das ein erneutes monatelanges Verfahren bedeutet - und schlimmstenfalls kurz vor der Wahl ein schlechtes Ergebnis. Die politische Konkurrenz hätte sich dieses Themas sicher immer wieder genüsslich angenommen, zumal der Regierende Bürgermeister im Moment gleichzeitig noch das Amt des Wissenschaftssenators ausübt.

Den sich abzeichnenden Debatten wollte Franziska Giffey offensichtlich ein Ende bereiten. Sie habe zwar die Arbeit "nach bestem Wissen und Gewissen" verfasst, erklärte sie, verzichte aber jetzt auf den Titel. Denn: "Wer ich bin und was ich kann, ist nicht abhängig von diesem Titel. Was mich als Mensch ausmacht, liegt nicht in diesem akademischen Grad begründet."

Kanzlerin quittiert Entscheidung "mit Respekt"

Ohne vom Kampf um den Doktortitel belastet zu sein, will die Berlinerin nun erst einmal Familienministerin bleiben. "Verloren" hat sie den Titel ja nicht, sondern freiwillig zurückgegeben. Ob ihnen das als Begründung ausreicht, dürfen im nächsten Jahr die Bürgerinnen und Bürger der Hauptstadt bei den Wahlen entscheiden. Angesichts der großen Probleme, vor denen Berlin steht, könnte es auch sein, dass diese Frage gar nicht weiter beachtet wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ nun schon mal wissen, sie nehme die Entscheidung ihrer Ministerin "mit Respekt" zu Kenntnis. Ablösen könnte sie Franziska Giffey sowieso nicht, denn das wäre nach den Regeln der Koalition die Sache der SPD. Für die Kanzlerin - promovierte Physikerin - sind Probleme mit Dissertationen nichts Neues. Sie hat auf diese Weise bereits einen Verteidigungsminister (Karl-Theodor zu Guttenberg) und eine Forschungsministerin (Annette Schavan) verloren. Letztere war auch noch eine persönliche Vertraute, was Angela Merkel besonders geschmerzt hatte.

Die Arbeit der Bundeskanzlerin selbst ist vermutlich einwandfrei, denn sie dürfte angesichts des Bekanntheitsgrades von Angela Merkel schon oft auf Unkorrektheiten überprüft worden sein. Der Titel: "Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden".

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