"Gehen Sie geräuschlos vor": Die pikante Bamf-Ansage

21.5.2018, 17:49 Uhr

© Foto: Stefan Hippel

Es war die Zeit, als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) endlich wieder mit positiven Meldungen Schlagzeilen machen wollte. In den ersten Monaten des Jahres 2017 meldete es Erfolge beim Abbau der offenen Asylverfahren, stellte Flüchtlingsinitiativen vor und spendete nicht mehr benötigte Zelte für wohltätige Zwecke. Doch hinter den Kulissen versuchten Mitarbeiter, einen der größten Skandale, den es je rund um das Amt gegeben hat, unter dem Deckel zu halten - das zeigen Recherchen der Nürnberger Nachrichten und des ZDF-Magazins Frontal 21. Diese Affäre, so wies die Nürnberger Zentrale an, solle man "geräuschlos" behandeln und nicht detailliert prüfen.

Es geht um den Fall Ulrike B.: Seit 2013 - vielleicht auch schon früher - soll die damalige Leiterin der Bremer Außenstelle in mindestens 1200 Fällen Asyl gewährt haben, ohne die Voraussetzungen ausreichend zu prüfen. Sie soll dabei gemeinsame Sache mit einem Anwalt, Irfan C., gemacht haben. Das Bundesamt hatte immer wieder beteuert, nur von wenigen Problemen gewusst zu haben. Ein Disziplinarverfahren gegen die Frau wurde im Frühjahr 2017 gegen zehn Prozent weniger Gehalt eingestellt – ihre Vorgehensweise wurde in lediglich vier Fällen beanstandet. Erst Ende 2017 leitete man umfangreiche interne Ermittlungen gegen Ulrike B. ein. Doch dabei wusste die Führung wohl längst vom Ausmaß des Skandals.

Ein Mailverkehr von Mitte Februar 2017, der sich mit der "Causa B." beschäftigt, ist eindeutig. "Würden Sie bitte ,geräuschlos‘ wie vorgeschlagen vorgehen. Ich möchte nicht, dass alles bis ins Detail geprüft wird", schreibt ein Mitarbeiter, er ist zu diesem Zeitpunkt Leiter "Geschäftsprozesse und Integrationsbereich" und direkt der Leitungsebene unterstellt. Die Führung des Bamf — Präsidentin Jutta Cordt und Rudolf Knorr, ebenfalls Mitglied des Leitungsbüros — setzte der Mitarbeiter unverzüglich in Kenntnis, sobald er selber Informationen zu den Bremer Vorgängen erhielt. Genau genommen sogar einen Tag, bevor er selber seine Mitarbeiter zur Zurückhaltung aufrief.

Amt sieht keine Fehler

Im Bundesamt will man jedoch weiterhin keine Verfehlungen sehen. Man habe das Ziel gehabt, die Verfahren zunächst intern zu sichten, heißt es. "Die Prüfung der Hinweise ist nach der ersten Durchsicht unverzüglich eingeleitet worden und soweit erforderlich sind die Bescheide aufgehoben worden", sagte ein Sprecher der Behörde der Deutschen Presseagentur. Allerdings: Bamf-Präsidentin Jutta Cordt hatte diese Mails bisher nicht erwähnt – auch nicht, als sie vor dem Innenausschuss des Bundestags gesprochen hatte. Die Amtsleitung hatte die Linie vertreten, über das Ausmaß des möglichen Betrugs erst im Herbst 2017 informiert worden zu sein — eben als die interne Revision zu ermitteln begann.

Doch diese Version lässt sich immer schwerer halten. So schrieb schon im Sommer 2016 der niedersächsische Regierungspräsident Hauke Jagau nach eigenen Angaben eine Mail an Frank-Jürgen Weise, damals Leiter des Bamf: Ein Abschiebeversuch sei durch die nicht zuständige Außenstelle in Bremen abgebrochen worden. Zwei Wochen später bekam Jagau eine Mail, sie liegt dieser Redaktion vor. "Herr Weise" lässt darin einen Mitarbeiter den Eingang von Jagaus Schreibens bestätigen. Die Sachverhalte verlangten "tiefergehende Untersuchungen, die bereits eingeleitet wurden". Wegen der "Bedeutung der Angelegenheit" könne eine Untersuchung allerdings etwas dauern.

Wie lange aber, das wundert Jagau bis heute. Es sei für ihn unverständlich, wenn er nun höre, dass es zwei Jahre gedauert habe, bis Ermittlungen eingeleitet wurden – und dann noch das Disziplinarverfahren gegen Ulrike B. eingestellt wurde. Zumal es aus Niedersachsen immer wieder Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gegeben hatte, sagt er. Da hätte die Amtsleitung doch sehr intensiv schauen müssen, was in Bremen alles schiefläuft. Eigentlich zumindest.

Frontal 21 berichtet am Dienstag, 21 Uhr, im ZDF über die Recherche mit den Nürnberger Nachrichten zum Bamf.

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