Wo bleibt das "Team Vorsicht"?

Geht Bayern den Sonderweg bei 2G-Plus? Am Dienstag fällt die Entscheidung

10.1.2022, 09:04 Uhr

© Tobias Hase, dpa

Früher hat sich der CSU-Chef mit seiner Vorreiterrolle bei den Corona-Bekämpfungsmaßnahmen hervorgetan, jetzt sitzt er im Bremserhäuschen: Den gemeinsamen Beschluss der letzten Ministerpräsidentenkonferenz, für den Gaststättenbesuch "2G plus", also Zutritt nur für Geimpfte und Getestete, vorzuschreiben, will er offensichtlich nicht mittragen.

Zugegeben: "2G plus" klingt nach unnötiger Schikane. Es bedeutet, dass sich grundsätzlich jede geimpfte und jede genesene Person, die einen gastronomischen Betrieb aufsuchen will, vorher an einem Testzentrum für einen Negativtest anstellen muss. Wenn das so wäre, würde sich die Frequenz in den Gaststätten noch weiter ausdünnen und so mancher Impfwillige würde sich die (vordergründige) Frage stellen, wozu das denn gut sein soll, wenn man trotzdem noch Testzentren aufsuchen muss.

Beim näheren Hinsehen ist "2G plus" allerdings nicht so dramatisch, weil das "Plus" auch Geboosterte erfüllen. Wer eine Auffrischungsimpfung erhalten hat, muss keinen Negativtest vorlegen. Wenn die Statistiken stimmen, dann haben derzeit mehr als 42 Prozent der Menschen in Deutschland eine solche Auffrischungsimpfung erhalten. Mit Blick auf die Gastronomie ist diese Quote allerdings nicht in Relation zur Gesamtbevölkerung zu sehen, weil gut ein Viertel der Menschen nicht oder nicht vollständig geimpft sind und somit Gaststätten ohnehin nicht aufsuchen können. Die sind für die Wirte vorläufig ohnehin verloren.

Ist es möglich, dass der bayerische Ministerpräsident die von ihm wiederholt angemahnte Gemeinsamkeit und Vorsicht dem Drängen seines Wirtshaus-affinen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) opfert? Dass Aiwanger bei jeder Gelegenheit Erleichterungen für das Gastgewerbe fordert, ist bekannt.

Den Restaurantbesuch "für ungetestete Geimpfte zu verbieten, aber frisch Geboosterten zu erlauben, ist medizinisch nur schwer begründbar", ließ Aiwanger kürzlich wissen. Wenn es nach ihm geht, soll auch gleich das für den Einzelhandel geltende "2G" zu Gunsten von "3G" gekippt werden. Ebenso müsse man jetzt nach mehreren Wochen Sperre auch Meisterkurse im Handwerk und Fahrunterricht genauso wie den Friseurbesuch mit Test auch für Ungeimpfte wieder ermöglichen.

Daher weht offenbar der Wind. Aber auch aus Richtung Justiz. Die bayerischen Verwaltungsgerichte haben im Verlauf der bisherigen Pandemie schon einige Maßnahmen kassiert. Wahrscheinlich würde auch die "2G plus"-Anordnung vor dem Kadi landen. Dann hat der Staat darzulegen, dass die Infektionsgefahr wegen der Omikron-Variante tatsächlich niedriger ist, wenn "ungeboosterte" Geimpfte noch zusätzlich getestet werden müssen. Ausgang ungewiss.

Am kommenden Dienstag tritt das Söder-Kabinett wieder zusammen. Dann muss man Farbe bekennen, ob wieder ein "Sonderweg" eingeschlagen wird (diesmal erstmals in entgegengesetzter Richtung) oder sich der Freistaat vorbehaltlos dem bundesweiten "Team Vorsicht" anschließt, auch wenn das Lamento aus den betroffenen Wirtschaftsbranchen immer schrillere Tonlagen annimmt.

Der Artikel wurde zuletzt am 10. Januar um 9.04 Uhr aktualisiert.

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