Gespräch mit Dialekt-Experte: Darum groovt das Fränkische

27.1.2020, 05:46 Uhr
Gespräch mit Dialekt-Experte: Darum groovt das Fränkische

© Foto: Daniel Karmann/dpa

Die jüngere Generation reist, zieht um, vor allem in Städte, in denen Mundart sowieso eine weniger große Rolle spielt. So stirbt der Dialekt immer mehr aus. Ein Gespräch über die aktuelle Debatte, die schönsten Wörter und das richtige Wort für Knödel.

Die Oberbayern sind auf ihren Dialekt in der Regel stolz, während die Schwaben und die Franken ein Problem mit ihrem Dialekt haben. Woran liegt das?

Kusz: Nun, die Oberbayern kommen ja immer selbstbewusst mit "Mia san mir" daher. Damit haben die Franken eher ein Problem. Wir schämen uns eher dafür, dass wir wir sind und verstecken unseren Dialekt. Aus diesem Grund habe ich mit meinen Theaterstücken und Gedichten ja versucht zu zeigen, dass man den Dialekt nicht verstecken muss, sondern er etwas Schönes ist.

Kleinmann: Daran kann ich gleich anknüpfen. Ich bin zwar Schwäbin, aber im Alltag hört man mir das nicht an, weil ich meinen eigenen Dialekt nicht unbedingt schön finde. I ka scho broit schwäbisch schwätza, so isch es it. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich belächelt oder schlicht nicht verstanden werde, wenn ich in anderen Regionen Deutschlands meinen Dialekt spreche.

Gerade als ich in Düsseldorf studiert habe, hatten meine Kommilitonen anfangs Probleme, mich zu verstehen. Zum Beispiel bei der Uhrzeit mit "dreiviertel fünfe" wurde es schwierig. Marina, du hältst dich dagegen weniger mit deinem Dialekt zurück, habe ich das Gefühl.

Hochholzner: Bei der Arbeit gebe ich mir schon Mühe, zumindest die extremsten Dialektwörter zu vermeiden. Ich habe ja auch Kollegen, die nicht gebürtig aus Bayern sind. Im Alltag spreche ich aber nur Dialekt. Der Vorteil am Oberbayerischen ist natürlich, dass man es in Franken in der Regel versteht.

Gespräch mit Dialekt-Experte: Darum groovt das Fränkische

© Foto: Isabella Fischer

Es gibt aber auch Wörter, die hier weniger bekannt sind. Zum Beispiel habe ich mich letztens mit einem Getränk bekleckert und gesagt: "Oh, jetz hob i mi opritschelt." Daraufhin gab es Gelächter. Also, manchmal sage ich Wörter, bei denen mir gar nicht bewusst ist, dass andere das Dialektwort nicht kennen.

In Bayern gibt es ein unter anderem vom Kultusministerium gefördertes Projekt mit dem Namen "Mundart Wertvoll". Mit dem Projekt soll der Dialekt wieder zurück in die Schulen kommen. Was sagen Sie dazu?

Kusz: Ich war einige Jahre als Deutschlehrer in Nürnberg an einem Gymnasium tätig. Da habe ich irgendwann meinen Schülern folgende Parole erlaubt: Sie sollten die Aufsätze zwar in Hochdeutsch schreiben, kamen darin allerdings Dialoge vor, durften die Schüler diese im Dialekt schreiben. Es kam gut an: Die Schüler waren wirklich begeistert.


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Kleinmann: Das ist eine gute Idee. Ich frage mich bei der ganzen Debatte immer, ob der Dialekt nicht etwas Identitätsstiftendes ist? Denn ich selbst identifiziere mich ja als Schwabe und dazu gehört natürlich auch der Dialekt.

Kusz: Der Dialekt ist die Muttersprache, die Sprache, die man als erste gelernt hat. Und zum Dialekt gehört natürlich auch ein gewisses Umfeld dazu, in dem er gesprochen wird. Also ja, ich denke schon, dass der Dialekt zur Identität beiträgt und gleichzeitig natürlich auch zur Abgrenzung dient. Man spricht in einer bestimmten Gruppe Dialekt und grenzt sich dadurch wieder von anderen ab, die einen anderen Dialekt sprechen.

Hochholzner: Ich hab oft gehört, der Dialekt ist wie eine zweite Fremdsprache, so als würde man zweisprachig aufwachsen. Und, dass sich Menschen, die Dialekt sprechen, in der Schule leichter tun. Herr Kusz, stimmt das?

Kusz: Der Dialekt ist die Primärsprache, und dann kommen alle anderen Sprachen dazu. Man muss von einer Sprache in die andere umschalten können. In der Linguistik gibt es dafür einen Begriff, es nennt sich "Code-Switching". Ich glaube, es ist auch sehr gut für den Erwerb einer Fremdsprache, wenn man erst den Dialekt beherrscht. Dann lernt man dazu noch die Hochsprache durch den Kindergarten und die Schule. Wenn man dann eine Fremdsprache lernt, hat man schon gelernt, zwischen den Sprachen umzuschalten.

Wie viel Dialekt ist zu viel Dialekt. Gibt es das überhaupt?

Kleinmann: Nun ich habe teilweise die Erfahrung gemacht, dass der Dialekt auch ausgrenzend wirken kann für Menschen, die nicht aus der Region oder gar aus dem Ausland kommen. Ich finde da liegt es dann schon an den Menschen selbst, auch Außenstehende mit einzubeziehen.

Hochholzner: Das Problem sehe ich natürlich auch; ich finde aber nicht, dass es jetzt zu viel Dialekt gibt. Denn Oberbayern hat sehr viele Traditionen, die Trachten zum Beispiel, unsere Geschichte und auch das Essen – und der Dialekt gehört eben dazu. Ich bin 28 Jahre alt, gehöre also zu der Gruppe, die gerne als "jüngere Generation" bezeichnet wird, die also mit Handy, Internet und Globalisierung aufgewachsen ist, die reist und mit viel Neuem in Berührung kommt.

Trotzdem fände ich es sehr schade, wenn der Dialekt ausstirbt. Es vermittelt einfach ein Zugehörigkeitsgefühl. Deshalb gibt es meiner Meinung nach auch nicht zu viel Dialekt. Problematisch finde ich eher, ihn zu stark zu thematisieren, zu gewollt zu fokussieren, denn der Dialekt sollte etwas Natürliches bleiben.

Kusz: Dialekt ist ein schützenswertes Kulturgut, das sogar von der Unesco unterstützt wird. Er sollte definitiv nicht aussterben. Durch mein "Schweig, Bub!" bin ich viel herumgekommen, weil das Stück in den verschiedensten Dialekt gespielt wurde. Sehr gut hat übrigens die Übersetzung ins Plattdeutsche funktioniert.

Und dort im Norden ist mir etwas aufgefallen: Das Erstaunliche ist, dass es dort Theatergruppen wie Sand am Meer gibt, die den Dialekt mit ihren Stücken am Leben erhalten. Das ist ein sehr interessantes Phänomen. In Franken ist es ähnlich: Durch den Erfolg von Kabarettisten, wie Egersdörfer, Regenauer oder Pelzig ist der Dialekt jetzt bundesweit zu hören.

Lassen wir mal die ernsteren Themen beiseite, denn Dialekt kann ja auch wunderbar witzig sein. Was lässt sich denn zum Beispiel super auf fränkisch ausdrücken?

Kusz: Es ist oft etwas ganz Kurzes. Zum Beispiel, wenn jemand eine lange Rede hält und dann steht der Franke auf und sagt: "Sou gäiht’s fei ned." Das nimmt jedem sofort den Wind aus den Segeln.

Kleinmann: Oh, da gibt es auch was im Schwäbischen. Man kann zum Beispiel dem Chef auf schwäbisch viel besser sagen, dass man – sagen wir mal – etwas nicht so gut gemacht hat: "Chefle, woisch, i muss dir ebs saga: I han do e kleins Kataschströphle angrichtet." Hört sich wesentlich weniger schlimm an, oder?


"Fränkische Weisheiten" mit Fitzgerald Kusz und Blues


Hochholzner: Auf jeden Fall. Ich finde es auch immer spannend zu hören, wie unterschiedlich einzelne Eigenschaften im Dialekt bezeichnet werden. Ein Beispiel: Wenn Menschen sehr wählerisch beim Essen sind, nennen wir das "hoaklich".

Kusz: Auf Fränkisch heißt es: "gnäschi".

Kleinmann: Schnaikig, heißt es bei uns.

Hochholzner: Oder die Franken sagen Gloß und ich sag Knedl, obwohl es das Gleiche ist.

Kusz: Ich sag Kniedla. Und in Oberfranken sagen sie Klies.

Welcher Dialekt ist denn der Schönste?

Hochholzner: Man kann auf Oberbayerisch sehr gut fluchen, und das Tolle ist, dass es dann auch gleich so hart klingt. Wir haben dieses rollende, scharfe R, die harten Vokale. Wie bei "Saxndi": Das ergibt nicht wirklich Sinn, dieses Wort, das nutzt man einfach nur, um zu Fluchen – es klingt aber total gefährlich.

Kusz: Nun, also Fränkisch ist am schönsten, weil der Dialekt so schön "groovt", weil er einen "Beat" hat, einen Rhythmus. Man kann damit auf Fränkisch einen tollen Blues machen.

Herr Kusz, was würden Sie sich denn für die Zukunft des Dialektes wünschen?

Kusz: In Bayern wird gerade mit dem Heimatministerium einiges getan. Es gibt zum Beispiel den Dialektpreis, den ich auch bekommen habe. Ich bin aber der Meinung, man sollte den Dialekt künftig auch im Rahmen des Deutschunterrichts mehr pflegen. Denn mit umso mehr Sprachen Kinder konfrontiert werden, desto besser: Das fördert den Spracherwerb und das Sprachvermögen.

Allerdings sehe ich die aktuelle Entwicklung auch kritisch: Meiner Meinung nach verkommt der Dialekt derzeit immer mehr zum Freizeitvergnügen. Er wird in einen Bereich abgedrängt, wo er mehr oder weniger nur noch der Unterhaltung dient. Das ist sehr schade. Der Dialekt kann mehr. Seine literarische Qualität gilt es zu bewahren.

Da sind wir schon beim richtigen Stichwort, nämlich bei Ihrer Arbeit. Können Sie uns davon etwas vortragen?

Kusz: Da habe ich zwei kurze Sachen: "es bredd vuäm kupf/, gibds edz aa/ als schdirnband."

Oder ein Haiku, ein japanischer Dreizeiler: "in jedä nachd vo/ jemand anders draimä:/, su kummd mä aa undä di laid ."

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