Großer Protest gegen die umstrittene Juraleitung

11.8.2019, 20:22 Uhr
Großer Protest gegen die umstrittene Juraleitung

© Foto: André Ammer

Christian Strobl und seine Mitstreiter haben sich einige Gedanken darüber gemacht, wie man den Widerstand gegen die umstrittene Juraleitung optisch und akustisch möglichst dramatisch in Szene setzen kann. Während zwei Kräne ein riesiges Protestplakat in die Höhe ziehen, ertönt die Titelmelodie des Hollywood-Blockbusters "Der weiße Hai". Die Lautstärke ist so hoch, dass bei dem berühmten Kontrabass-Motiv die Lautsprecher scheppern.

"Den Protest visualisieren" – diesen Rat erfahrener Mitstreiter, die im Landkreis Nürnberger Land erfolgreich gegen die mittlerweile beerdigte Südost-Trasse beziehungsweise P44mod zu Felde gezogen waren, haben sich die Organisatoren von der Bürgerinitiative "Rettet das Schwabachtal" sichtlich zu Herzen genommen. Mit der spektakulären Kranaktion sollen die Zuschauer einen Eindruck davon bekommen, wie sich die Masten so einer 380-kV-Höchstspannungsleitung auf das Landschaftsbild auswirken.

Der Vergleich hinkt allerdings: "Unser Transparent hängt auf einer Höhe von etwa 20 Metern, die Strommasten der Juraleitung könnten aber mehr als die dreifache Höhe haben", gibt Strobl zu bedenken. Nicht nur deswegen treiben die Ausbaupläne von Netzbetreiber Tennet immer mehr Bürger in der Region um. Mittlerweile geht es auch nicht mehr nur darum, wie genau die neue P 53-Trasse verlaufen soll.

Ist die Trasse überhaupt nötig?

"Die Frage ist jetzt nicht mehr das Wo, sondern das Ob", erklärt der Sprecher der Bürgerinitiative "Rettet das Schwabachtal". Wie viele andere Protestgruppen werfen Strobl und seine Helfer die Frage auf, ob diese Trasse überhaupt nötig ist – egal ob nun in oberirdischer Form mit mächtigen Strommasten oder in einer optisch unauffälligeren, aber auch erheblich teureren Erdkabel-Variante.

Großer Protest gegen die umstrittene Juraleitung

© Foto: André Ammer

Und deshalb hat die BI zu einem Aktionstag bei Gustenfelden (Landkreis Roth) eingeladen, zu dem trotz des regnerischen Wetters mehrere Hundert Menschen kommen. Dem von sanft geschwungenen Hügeln eingerahmtem Ortsteil von Rohr drohen relativ deutliche Einschnitte in die Landschaft, wenn eine südliche Variante der unter anderem durch die Landkreise Fürth, Roth, Nürnberger Land und Neumarkt führende Juraleitung realisiert werden würde. Ende Mai hatte Tennet entsprechende Planungskorridore präsentiert und damit für mächtigen Wirbel in den betroffenen Gemeinden gesorgt.

"Unberührte Haupt- und Seitentäler, in denen bislang noch nicht mal ein Telefonmast steht, wären betroffen", ärgert sich Rohrs Bürgermeister Felix Fröhlich (SPD), einer von sechs Gemeindeoberhäuptern in dieser Gegend, die eine Resolution gegen die Juraleitung unterzeichnet haben. Unter anderem ein Teil des Hennenbergs, Schauplatz eines der größten Waldumbau-Projekte in Bayern, müsste für den Trassenbau gerodet werden.

"Wir müssen solidarisch zusammenstehen"

"Wir erwarten Beweise und Belege, die diese Pläne rechtfertigen. Wir haben das Projekt abgelehnt und werden es weiter ablehnen", ruft Fröhlich unter dem Beifall der Zuschauer. Man werde Tennet auch keine Alternativvorschläge unterbreiten, damit der Schwarze Peter dann bei den Nachbarn landet. "Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen in unseren jeweiligen Interessen und müssen solidarisch zusammenstehen", fordert der Rohrer Bürgermeister und geht damit konform mit den vielen Bürgerinitiativen, die sich entlang der 160 Kilometer langen Wechselstromtrasse gebildet haben.

Allein 14 lokale BIs arbeiten mittlerweile in einer landkreisübergreifenden Allianz zusammen, man ist vernetzt in einer ganzen Reihe von WhatsApp- und Facebook-Gruppen, und bei der Kundgebung bei Gustenfelden zeigen auch Trassengegner aus den benachbarten Landkreisen Flagge. "Die Bürgerinitiativen schießen wie die Pilze aus dem Boden", freut sich Wolfgang Schmid, Sprecher der Büchenbacher Bürgerinitiative "Nein zur P 53-Südtrasse", die ebenfalls an dem Aktionstag der Rohrer Nachbarn mitwirkt und ebenso wie die BI "Rettet das Schwabachtal" inzwischen weit über 1000 Mitglieder hat.

Die Menschen, die sich neben der Verbindungsstraße zwischen Gustenfelden und Oberreichenbach versammelt haben, treibt vor allem der Umstand auf die Barrikaden, dass nach Darstellung vieler Trassengegner nicht die Versorgungssicherheit in Bayern, sondern vor allem wirtschaftliche Interessen beim Netzausbau im Vordergrund stehen. Die dem holländischen Staat gehörende Planungsgesellschaft Tennet bekomme vom Bund garantierte Renditen von 6,91 Prozent auf ihr eingesetztes Eigenkapital – mehr als nahezu überall sonst auf dem Kapitalmarkt. Diese von Christian Strobl und anderen Rednern präsentierten Zahlen werden von den Demonstranten mit Pfui- und Buh-Rufen quittiert.

Gelb und rot sind die Farben des Widerstands

"Eine Energiewende, die gelingen soll, findet regional und lokal und damit dezentral statt. Alle anderen Ansätze führen nicht zum Ziel", betont Kleedörfer, der beim regionalen Versorger N-ergie für den Bereich Unternehmensentwicklung zuständig ist. Kleedörfer plädiert für einen Mix aus vielen verschiedenen Energiequellen, zum Beispiel für einen massiven Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Durch dieses Agieren vor Ort entstehe Wertschöpfung im Handwerk, im Mittelstand und auch in den Verwaltungen.

Die Demonstranten in Gustenfelden visualisieren ihren Widerstand gegen die geplante Stromtrasse auch durch gelb-rote Holzkreuze, die künftig vor zahlreichen Häusern und Gärten in der Region stehen sollen. Wolfgang Schmid präsentiert außerdem einen aus gelb und rot lackierten Wäscheklammern gebastelten Proteststicker. Der Kampf gegen die Juraleitung hat wohl erst so richtig begonnen.

 

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