"Hart aber fair": "Klimakatastrophe" gefährdet Demokratie

3.12.2019, 11:55 Uhr

Wenn Klima-Aktivisten und Klimaforscher im Fernsehen aufeinandertreffen, scheinen Dispute unausweichlich. Immer häufiger bilden sich in Deutschland verschiedene Lager bei der Frage um den Klimaschutz heraus, was nun auch bei "Hart aber fair" in der ARD am Montag wieder deutlich wurde. "Weckruf oder Panikmache: Braucht das Klima eine Öko-Revolution?", lautete die Frage des Abends, zu der sich unter anderem die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne), Klimaforscher Hans von Storch, Schauspielerin Nina Kronjäger, Aktivist Tino Pfaff und Journalist Rainer Hank im Studio einfanden.

Für viel Aufsehen sorgte Klima-Aktivist Tino Pfaff mit seinen Aussagen. Er ist Student und Mitglied von "Extinction Rebellion", einer Art radikaleren Version von Fridays for Future. Deren eher drastische Vorgehensweise erklärte er in der Sendung: "Wir fangen da an, wo Fridays for Future aufhört", erklärt er stolz. Denn die Fridays for Future-Bewegung würde ihre Demonstrationen legal anmelden – darauf verzichtet jedoch "Extinction Rebellion". Die Bewegung würde ganz bewusst Grenzen überschreiten, indem sie zum Beispiel Straßen, Konzerne oder Banken ohne Ankündigung blockiert. "Regelübertritte sind letztendlich nötig, um die Regierung und die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, dass wir in eine Klimakatastrophe schlittern", begründete Pfaff das Vorgehen.

Der Aussage folgte Applaus aus dem Publikum. Moderator Frank Plasberg zeigte sich daraufhin eher überrascht, dass Pfaffs Relativierung illegaler Aktionen so eine Reaktion bei den Zuschauern hervorruft. Schauspielerin Nina Kronjäger outete sich da ebenfalls als Fan dieser Bewegung: "Die (Mitglieder von "Extinction Rebellion", Anm. d. Red.) bringen sich anders in die Demokratie ein", findet sie. Dabei äußert sie auch Zweifel an der Funktionalität der Regierung: "Die schaffen das nicht mehr. Die Institutionen sind einfach zu schwerfällig." Ihr zufolge seien die Politiker durch zunehmenden Lobbyismus außerdem gar nicht mehr demokratisch.

Auch Bärbel Höhn von den Grünen schlug sich auf Pfaffs Seite: Auch sie fürchtet bevorstehende Ernährungsnotstände, tauende Permafrostböden und bereits überschrittene Kipp-Punkte auf Grönland. Die von "Extinction Rebellion" geforderten künftigen Bürgerversammlungen, die die Regierung verpflichten, zu handeln, unterstützt sie.

Diese Sichtweise stieß bei Klimaforscher Hans von Storch und Journalist Rainer Hank auf Kopfschütteln. "Die Radikalisierung der Empörung macht mir so langsam Sorgen", gab Hank zu bedenken. Sehr kritisch sehen müsse man ihm zufolge die "zunehmende Demokratie-Skepsis und Entfremdung". Er merkte auch an, dass es apokalyptische Bewegungen immer schon gegeben habe.

"Es ist fünf vor 12 und um 12 Uhr geht die Welt unter", seien ihm zufolge aber falsche Bilder, von denen man endlich wegkommen müsse. Empörung allein helfe nicht weiter, sagte er, auch, wenn er sie verstehen könne. Mit seiner Ermahnung, Rationalität walten zu lassen, sprach er auch Hans von Storch aus der Seele. Der rechnete prompt gnadenlos mit den Aktivisten ab: "Wenn ich mit Kollegen unterwegs bin, merke ich, viele haben die Schnauze voll von diesen Übertreibungen." Den britischen Anführer von "Extinction Rebellion", Roger Hallam, bezeichnete von Storch als "Rattenfänger". Hallam fiel jüngst durch antisemitische Thesen auf.

Vorbildcharakter hat keine Wirkung

Nüchtern rechnete von Storch den Anwesenden vor, wie viele Gigatonnen CO2 in welchem Zeitraum weltweit zurückgefahren werden müssten, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Das sei nicht nur ein Problem für Deutschland, es sei ein globales Problem. "Wie kriegen wir die Welt dazu, weniger zu verbrauchen? Da können wir nicht sagen: Guckt mal, wir Deutschen fliegen nicht mehr und essen kein Fleisch. Ist das nicht geil? Macht das doch auch mal", behauptete er.

Höhn versuchte, Deutschland in Sachen Klimaschutz einen Vorbildcharakter zuzusprechen, der auf die übrige Welt einen Motivationseffekt haben könnte. Dass Deutschland als vorbildliche Industrienation andere Länder in punkto Klimaschutz beeinflussen könnte, glaubt von Storch aber nicht. "Reden Sie mal mit den Menschen in China. Klimawandel ist nicht deren Hauptproblem", sagte der Experte. Für ihn ist klar: Ein globales Umdenken sei in Zukunft nur durch attraktive, technologische Innovationen möglich. "Wir müssen ein Angebot machen. Wir müssen einen Weg aufzeigen, wie wir zwar in Wohlstand leben, das aber mit weniger CO2-Emissionen, und wie sich das finanziell lohnt."

Ob das funktionieren könnte, konnte niemand der Anwesenden beantworten. Immerhin waren sich alle einig, dass mehr für das Klima getan werden muss. Beim Entwickeln von Lösungsansätzen dürfte aber auch künftig noch so allerhand Gesprächsbedarf bestehen.

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