Heil besucht Arbeitsagentur: "Sie haben jedes dumme Vorurteil widerlegt"

25.9.2020, 17:22 Uhr

Besuch an vorderster Front: Hubertus Heil traf sich in Nürnberg mit Mitarbeitern der Arbeitsagenturen.   © Manuel Kugler

Diesen einen Satz wollte Reiner Hollerung unbedingt noch loswerden. „Das Thema Missbrauch von Kurzarbeit wird politisch zu sehr hochgehängt“, sagt der Mitarbeiter der Nürnberger Agentur für Arbeit an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gerichtet. „Es diskreditiert das Instrument Kurzarbeit.“

Für den SPD-Politiker ist das eine Steilvorlage: Die Welt bewundere Deutschland dafür, wie es mit seinem Arbeitsmarkt durch die Coronakrise gekommen sei, nur in Deutschland selbst würden die Erfolge zerredet. „Jede Form von Leistungsmissbrauch ist eine Sauerei“, sagt Heil. Die bisher 2100 Verdachtsfälle stellten bei in der Spitze sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit aber sicher kein Massenphänomen dar. „In Berlin quatschen viele über Kurzarbeit, die lange keinen Betrieb mehr von innen gesehen haben“, sagt Heil.

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Der Arbeitsminister ist an diesem Tag von Berlin in die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit nach Nürnberg gekommen, sein Anliegen: zu hören, was Mitarbeiter an vorderster Front über die Bewältigung der Coronakrise zu berichten haben. Auf die Bundesagentur war mit dem Lockdown die größte Herausforderung ihrer Geschichte hereingebrochen. Plötzlich hingen die Jobs und damit die Existenzen von zig Millionen Menschen davon ab, ob die knapp 100.000 Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen und Jobcentern ihren Job unter Höchstbelastung machen. Die Bundesagentur bestand die historische Belastungsprobe.

Bund übernimmt Milliardendefizite

„Sie haben jedes dumme Vorurteil, das es über die öffentliche Verwaltung gibt, widerlegt“, sagt Heil an die Adresse der Mitarbeiter, die dem Minister ihre Erfahrungen schildern, ihm von dem Zusammenhalt und der Kraft erzählen, die die Krise in den Behörden freisetzte. Doch Heil hat nicht nur warme Worte dabei, sondern auch jede Menge Geld: Der Bund übernimmt bis Ende 2021 die Milliardendefizite, die in der Arbeitslosenversicherung wegen der Rekord-Kurzarbeit entstehen – und verlangt keine Rückzahlung, wie das Kabinett beschlossen hat. Die Bundesagentur für Arbeit kann damit schuldenfrei ins Jahr 2022 starten. Den deutschen Arbeitnehmern bleibt so vorerst eine satte Beitragserhöhung erspart.

Aus den Berichten der Bundesagentur-Beschäftigten spricht aber nicht nur der Stolz über das gelungene Krisenmanagement – sondern auch Sorge. Darüber, ob sich die Errungenschaften wie Homeoffice und unbürokratisches Arbeiten in eine Zeit nach Corona retten lassen. Und die Sorge darüber, was da womöglich noch droht auf dem Arbeitsmarkt.

Gibt es bald mehr Personal?

„Die Brücke Kurzarbeit ist kein Allheilmittel“, sagt der Nürnberger Agenturmitarbeiter Hollerung. Die Autobranche und die Zulieferer, hart getroffen vom Wandel hin zur Elektromobilität, bauten Personal ab; anderen Firmen gehe das Geld aus – womöglich drohe eine Insolvenzwelle. „Wir brauchen deshalb dringend Unterstützung für Weiterqualifizierung und Transferprozesse.“

Bekommt die Bundesagentur, die in Zeiten des deutschen Jobwunders Jahr für Jahr Personal abbaute, am Ende zusätzliche Mitarbeiter? Die Verhandlungen im zuständigen Verwaltungsrat, der gestern in Nürnberg tagte, deuten darauf hin. Er wolle keine falschen Versprechungen machen, sagt Heil, aber doch ein Signal setzen: „Wir bemühen uns, dass Sie Unterstützung bekommen.“