Hunger nach Boden: Fränkischer Experte erklärt Amazonas-Krise

24.8.2019, 14:18 Uhr
Hunger nach Boden: Fränkischer Experte erklärt Amazonas-Krise

© Foto: Christian Niel Berlinck/ICMBio/dpa

Bis vor kurzem war er neun Jahre lang Lateinamerika-Referent von "Mission EineWelt" in Neuendettelsau. In dieser Zeit, und auch schon, als er zuvor siebeneinhalb Jahre in Belo Horizonte in Südost-Brasilien gelebt hatte, war er oft im Regenwald, hat bis heute Kontakt zu Kollegen und Kleinbauern, die dort zu Hause sind.

Hunger nach Boden: Fränkischer Experte erklärt Amazonas-Krise

© Foto: Sandra Weber

"Es muss erst ein gewisses Maß an Existenzsicherung da sein, bevor die Menschen an die Natur denken", hat Zeller in Brasilien erkannt. Und mit der Existenzsicherung ist es nicht so einfach. Die Kleinbauern, die vor mehr als 20 Jahren aus dem Süden ins Amazonasbecken gelockt wurden, wo sie plötzlich statt zwei bis zehn Hektar mehrere Hundert Hektar Fläche zur Verfügung hatten, haben schmerzhaft erkennen müssen, dass der abgeholzte Regenwald kein fruchtbares Land ist.

"Der Boden ist sehr arm an Nährstoffen. Die dünne Humusschicht ist schon nach ein bis zwei Ernten verbraucht. Der Sandboden darunter taugt nicht für die Landwirtschaft", meint Zeller. In dem immerfort warmen, feuchten Klima wird alles organische Material sofort zerlegt und zersetzt. "Die üppigste Vegetation der Erde kommt mit einer extrem dünnen Humusschicht aus", fasst Zeller zusammen.

Land wird schnell unbrauchbar

In ihrer Not brennen sich die Bauernfamilien deshalb Jahr für Jahr immer weiter in den Regenwald hinein, immer auf der Suche nach neuem fruchtbaren Boden, der dann nach wenigen Jahren aufs Neue wertlos und unbrauchbar wird.

"Unsere finanziellen Mittel sind aufgebraucht. Wir müssen schauen, wie wir hier durchkommen", sagen die Bauern zu Zeller. Dazu kommen natürlich noch die Großbauern, deren Landhunger nach neuen Flächen für Ölpflanzen, Soja oder Weiden schier unersättlich ist.


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Doch langsam bekommen die Menschen auch in Metropolen wie São Paulo, wo schwarzer Regen vom Himmel fiel, zu spüren, welche Auswirkungen der Umweltfrevel hat. "Bei uns ist momentan der blaue Himmel nicht zu sehen. Der Himmel ist bedeckt, aber nicht von Regenwolken, sondern vom Rauch der Brandrodungen. Dies dauert bereits zehn Tage an", erzählt der brasilianische Pfarrer Adriel Raach, der in der Halbmillionenstadt Cuiabá, nicht weit von den Ausläufern des Regenwaldes, lebt.

 

 

Extrem trockene Zeit

Dort ist es momentan extrem trocken. Normal für die Jahreszeit, aber es ermöglicht unbeabsichtigte und beabsichtigte Brände, um die Anbauflächen zu erweitern. "Man versucht offiziell, die Brände herunterzuspielen, da es um die Jahreszeit normal ist, dass Brandrodungen vorgenommen werden", sagt Raach.


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"Es gibt Anweisungen der Regierung an das brasilianische Umweltamt Ibama und weitere Institute, die für den Schutz des Amazonaswaldes eingesetzt sind, dass sie gegen die Holzindustrie und Bauern, die Brandrodungen vornehmen, nicht vorgehen sollen. Der Urwald im Amazonasbecken soll offiziell nicht mehr erhalten werden", berichtet Zeller nach vielen Gesprächen mit Menschen vor Ort.

Nur wenige erkennen Umweltprobleme

Diese Menschen haben Zeller auch erzählt, wie ein System von "virtuellen Wäldern" entstanden ist. Auf dem Papier wird für Urwaldregionen oft ein größerer Anteil an Edelhölzern angegeben, als tatsächlich existiert. So kann dort mehr Edelholz gerodet werden, als es eigentlich erlaubt wäre. Zudem wird Holz aus anderen Regionen, in denen die Abholzung eigentlich verboten ist, als Holz aus den widerrechtlich legalisierten Regionen klassifiziert.

Nur eine kleine akademische Schicht sieht bislang die Umweltprobleme. Doch manchmal kommt es auch an unerwarteter Stelle zu einem Umdenken. So wie bei Blairo Maggi, dem größten Sojaproduzenten der Welt. Der Besitzer von wohl etwa einer Million Hektar Land befürchtet durch die Brände einen großen Imageschaden und hat Angst, dass sich Soja dadurch in Zukunft kaum mehr nach Europa verkaufen lässt. Wenn es ums Geld geht, ist der Mann, der von Greenpeace einst die "Goldene Kettensäge" verliehen bekam, also durchaus empfänglich.

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