Jüdische Gemeinden in der Region investieren in Sicherheit

10.10.2019, 19:38 Uhr
Max Privorozki, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, gibt ein Statement vor der dortigen Synagoge: Bei Angriffen waren dort und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen worden. Der Vorfall hat eine breite Debatte über die Sicherheit jüdischer Einrichtungen in der Bundesrepublik ausgelöst.

© Foto: Marek Majewsky/dpa Max Privorozki, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, gibt ein Statement vor der dortigen Synagoge: Bei Angriffen waren dort und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen worden. Der Vorfall hat eine breite Debatte über die Sicherheit jüdischer Einrichtungen in der Bundesrepublik ausgelöst.

Es geht nicht nur um Pöbeleien und offensichtliche Gewalt, sondern auch um subtile sprachliche Entgleisungen im Alltag. Im Prinzip sei das normal, sagt Jo-Achim Hamburger. Und gerade das sei absurd, so der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde von Nürnberg. Ebenso wie die Tatsache, dass sich die Gemeinden seit Jahren aktiv schützen müssten und damit zum Teil alleine dastehen würden, wie nun die Gewalttat in Halle gezeigt habe.

Für Hamburger ist es ein Skandal, dass die dortige Synagoge am Feiertag Jom Kippur nicht von der Polizei bewacht wurde – obwohl nach seinen Informationen der Vorsitzende der Kultusgemeinde, Max Privorozki, mehrfach darum gebeten hatte. Nach den ersten Notrufen habe es zudem 15 Minuten gedauert, bis die ersten Beamten vor Ort eintrafen.

"Wir leben in einer schwierigen Situation"

Zu den Schutzmaßnahmen für die Nürnberger Synagoge will er im Detail nichts sagen. Es seien die vom Innenministerium und den Kriminalämtern empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden, sagt Hamburger. "Ich hätte gerne das ganze Geld für die Sicherheit in die Jugendarbeit gesteckt", ergänzt er.

"Wir leben in einer schwierigen Situation", erklärt der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in Fürth, Yukhym Mashevsky. Die Betroffenheit nach der Gewalttat in Halle sei groß, zumal im Oktober mit dem Laubhüttenfest eine Reihe von Feiertagen und Feierlichkeiten anstehen. Deshalb sei nun ein zusätzlicher Sicherheitsdienst bestellt worden, berichtet Mashevsky. Aber niemand in der Gemeinde mache sich Illusionen, dass es absoluten Schutz geben könnte.

Bei der Erlanger Kultusgemeinde wird bereits seit Jahren in den Ausbau der Sicherheit investiert, sagt die dortige Vorsitzende Ester Klaus. Neben einem privaten Sicherheitsdienst, der vor allem an Feiertagen verstärkt wird, würden in Zusammenarbeit mit der Botschaft des Staates Israel auch Gemeindemitglieder selber speziell für den Schutz geschult und beispielsweise in der Nahkampftechnik "Krav Maga" trainiert, die ihren Ursprung in der israelischen Armee hat. Die Eingangstür sei wie die in Halle verstärkt. Auch die Absicherung der Fenster und ein Zaun um das Gebäude seien seit drei Jahren im Gespräch, so Klaus. Weil das Gebäude aber nur gemietet ist, sei das bisher nicht infrage gekommen.

Bayern gewährt Zuschüsse

Die Frage, ob am Mittwoch, als in Halle die Schüsse fielen, vor den Synagogen in Nürnberg und in der Region Polizeistreifen standen, beantwortet das bayerische Innenministerium nicht. "Zu konkreten Schutzmaßnahmen können wir keine Auskunft geben. Das würde die Wirksamkeit der Maßnahmen gefährden", heißt es. Dennoch bezieht Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Stellung: "Der Schutz jüdischer Einrichtungen hat für uns einen sehr hohen Stellenwert. Die bayerische Polizei beurteilt die Gefährdungslage jüdischer Einrichtungen fortlaufend", sagt er. Konkrete Hinweise einer Gefährdung lägen derzeit nicht vor. Dennoch seien Verfassungsschutz und Polizei in Bayern höchst wachsam, sagt der Minister. Bei baulichen Maßnahmen stelle der Freistaat 13 Millionen Euro als Zuschüsse für Sicherheitsinvestitionen zur Verfügung.


Nach Halle: Wir brauchen Versöhnung statt Hass


Das Thema Polizeischutz treibt viele um. Wer in Berlin lebt, dem ist das Bild vertraut: Geht man an einer Synagoge oder einer anderen jüdischen Einrichtung vorbei, steht dort grundsätzlich ein bewaffneter Polizist oder Wachmann vor der Tür. Warum in Halle am höchsten jüdischen Feiertag Yom Kippur staatlicherseits nicht für Sicherheit gesorgt wurde, ist für Josef Schuster, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, völlig unverständlich.

Behörden sollen Konsequenzen ziehen

Bei einer Pressekonferenz in Halle hörte er aus dem Munde von Holger Stahlknecht, dem Innenminister von Sachsen-Anhalt, dass für die Synagoge nur "eine unregelmäßige Bestreifung" durch die Polizei vorgesehen gewesen sei. Der Vorsitzende der dortigen Kultusgemeinde, Max Privorozki, sagte indes: "Bei uns gibt es nie Polizeikontrollen."

Schuster hofft, dass die Behörden jetzt Konsequenzen ziehen: "Ich gehe davon aus, dass aus den Vorfällen des gestrigen Tages gelernt wurde." Wie die Justiz manchmal mit erwischten Tätern umgeht, versteht er nicht. So war erst vor wenigen Tagen ein arabisch sprechender Mann mit einem Messer auf die Berliner Synagoge zugerannt und von Wachleuten gestoppt worden. Trotzdem gab es keinen Haftbefehl. "Das erschließt sich mit logischem Menschenverstand nicht", so Schuster.

Horst Seehofer versprach, das Thema Sicherheit auf der nächsten Innenministerkonferenz anzusprechen. Der Schutz der jüdischen Einrichtungen solle deutschlandweit verbessert werden, wo das noch nicht der Fall ist – und zwar "nicht nur als Reaktion, sondern dauerhaft". Einige Hundert neue Stellen will der Innenminister schaffen, um den Rechtsextremismus in Deutschland besser bekämpfen zu können.

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