Einsatz der Nationalgarde

„Sie spucken, wir schlagen“: Trump demonstriert seine Macht

09.06.2025, 01:34 Uhr
Am Rande der friedlichen Proteste kam es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei.

© Jae C. Hong/AP/dpa Am Rande der friedlichen Proteste kam es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei.

US-Präsident Donald Trump spricht von „gewaltsamen, aufständische Meuten“, die Los Angeles übernommen hätten - die Realität sieht anders aus. Bis zum frühen Sonntagabend (Ortszeit) gab es nur in der Innenstadt der weitflächigen Millionenmetropole einzelne Proteste - in einer Größenordnung, die normalerweise kaum größere Wellen schlagen würde. Am Rande dieser friedlichen Proteste kam es aber auch zu Ausschreitungen. Trump nutzt solche Zusammenstöße als Rechtfertigung für den Einsatz der Nationalgarde und sogar eine Mobilisierung des regulären Militärs.

Unterdessen bezogen die ersten 300 Soldaten der Nationalgarde teils in Kampfmontur und mit automatischen Waffen Stellung, um Gebäude des Bundes vor Protesten und Vandalismus zu schützen. Zudem stünden rund 500 Marineinfanteristen der regulären Streitkräfte bereit, um bei Bedarf einzuschreiten, teilte das zuständige Regionalkommando des Militärs mit.

Hunderte Soldaten der Nationalgarde sind in Los Angeles im Einsatz.

Hunderte Soldaten der Nationalgarde sind in Los Angeles im Einsatz. © Jae Hong/AP/dpa

Ein Einsatz der regulären Armee im Inneren wäre eine weitere gravierende Eskalation. Soldaten sind für militärische Einsätze und den Krieg ausgebildet, nicht für polizeiliche Aufgaben wie die Kontrolle von Protesten in amerikanischen Innenstädten. 

Bürgermeisterin Karen Bass, die einen Einsatz der Nationalgarde abgelehnt hatte, sprach von mehreren Tausend Demonstranten, von denen einige Hundert zeitweise auch eine Autobahn blockiert hätten. Bei den Protesten seien auch Flaschen und Steine auf Sicherheitskräfte geworfen worden, als Beamte die Demonstranten aus der Umgebung von Gebäuden des Bundes und der Autobahn zurückdrängten. 

Tränengas und brennende Autos

Die örtliche Polizei ging mit Schlagstöcken und teils auch Tränengas gegen die Menge vor. Livebilder im Fernsehen zeigten auch einzelne Festnahmen. Der Bürgermeisterin zufolge gab es einige Fälle von Vandalismus, mehrere Autos gingen in Flammen auf.

Mehrere Autos wurden in Brand gesteckt.

Mehrere Autos wurden in Brand gesteckt. © Jae C. Hong/AP/dpa

Bass warnte, der einschüchternde Einsatz der Nationalgarde könne zu einer weiteren Eskalation der Proteste führen. Ein Vertreter der Polizei sagte dem Sender CNN, erfahrungsgemäß sei nach Sonnenuntergang mit Krawallen durch besonders hartnäckige Demonstranten zu rechnen. 

Verstärkte Einsätze der US-Einwanderungsbehörde ICE, die Trumps Vorgaben folgend auch im Raum Los Angeles Migranten ohne gültige Papiere festnehmen und abschieben will, hatten Ende vergangener Woche vereinzelte Proteste ausgelöst. Trump ließ deswegen am Samstagabend (Ortszeit) mindestens 2.000 Soldaten der Nationalgarde mobilisieren und schloss auch den Einsatz des regulären Militärs nicht aus.

Kalifornien wirft Trump rechtswidriges Handeln vor 

Der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, bezeichnete Trumps Vorgehen als „rechtswidrig“. Die Mobilisierung der Nationalgarde ohne seine Einwilligung sei ein „schwerwiegender Verstoß gegen die Souveränität des Bundesstaats“, heißt es in einem Protestschreiben an US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, das Newsom auf der Plattform X veröffentlichte. Der Demokrat, der sich in Los Angeles selbst ein Bild von der Lage machte, verwies darauf, dass es genügend örtliche Sicherheitskräfte gebe.

Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom hält das Vorgehen der Trump-Regierung für rechtswidrig.

Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom hält das Vorgehen der Trump-Regierung für rechtswidrig. © Noah Berger/AP/dpa

Seine Stellvertreterin Eleni Kounalakis deutete im Gespräch mit dem Sender CNN an, dass schon zu Wochenbeginn mit einer Klage des Bundesstaats gegen Trumps Vorgehen zu rechnen ist. 

Trump drohte den Demonstranten mit Schlägen, sollten sie Sicherheitskräfte bespucken oder bewerfen. „Sie spucken, das ist ihr neues Ding“, sagte der Republikaner vor Reportern auf dem Weg zum Landsitz Camp David. Wenn das passiere, habe er eine klare Botschaft, und zwar: „Sie spucken, wir schlagen.“ Trump ist für seine markigen Slogans bekannt - und auf Englisch reimt sich die Drohung sogar: „They spit, we hit.“

Trump spricht von Truppen auch in anderen Städten

Trump will einen Einsatz von Soldaten auch in anderen Städten der USA nicht ausschließen. Es werde geprüft, „Truppen überall zu haben“, sagte Trump. „Wir lassen uns das Land nicht auseinanderreißen.“ Auf Nachfrage wollte er auch nicht ausschließen, eine Art Kriegsrecht zu verhängen, um der Proteste Herr zu werden. Momentan gebe es aber keine Notwendigkeit dafür, das als „Insurrection Act“ bekannte Gesetz anzuwenden, sagte Trump.

Trumps Dekret zur Mobilisierung der Nationalgarde spricht von „einer Form der Rebellion“ gegen die Staatsmacht - nennt dabei aber Los Angeles gar nicht explizit. Es könnte also überall in den USA angewendet werden. 

Harris: Trump will „Chaos stiften“

Die Demokratin Kamala Harris, die Trump bei der Präsidentschaftswahl im November Trump unterlag, kritisierte sein Vorgehen scharf. Soldaten der Nationalgarde gegen größtenteils friedlich protestierende Demonstranten einzusetzen - das sei „eine gefährliche Eskalation, die Chaos stiften soll“, schrieb Harris auf der Plattform X. „Es ist Teil der grausamen, berechnenden Agenda von Trumps Regierung, Panik und Spaltung zu verbreiten.“

Der Regierung des Republikaners gehe es nicht um öffentliche Sicherheit, sondern um Angstmache - „Angst vor einer Gruppe, die Würde und rechtsstaatliche Verfahren fordert“, fügte Harris mit Blick auf Migranten hinzu, die angesichts von Trumps hartem Kurs in der Migrationspolitik eine Abschiebung aus den USA fürchten müssen.

Protest der demokratischen Gouverneure

Die Vereinigung aller demokratischen Gouverneure der US-Bundesstaaten bezeichnete Trumps Mobilisierung der Nationalgarde als „alarmierenden Machtmissbrauch“. Ein Einsatz der Sicherheitskräfte gegen den Willen des betroffenen Staates sei „ineffektiv und gefährlich“. Die Drohung, in amerikanischen Städten zudem auch noch Marineinfanteristen einzusetzen, untergrabe nicht nur die eigentliche Mission des Militärs und das Vertrauen der Öffentlichkeit. Sie zeige auch, dass Trumps Regierung örtlichen Sicherheitskräften nicht vertraue.

Historische Machtdemonstration

Der Einsatz der Nationalgarde gegen den Widerstand des Gouverneurs ist eine höchst ungewöhnliche Machtdemonstration der Regierung. Seit 1965 hatte kein US-Präsident mehr die Nationalgarde eines Bundesstaats gegen dessen erklärten Willen übernommen.

Im Normalfall haben die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde - eine militärische Reserveeinheit, die Teil der US-Streitkräfte ist. Jeder Bundesstaat hat seine eigene Garde, die bei Waldbränden, Wirbelstürmen, Überflutungen oder Unruhen im Inneren eingesetzt werden kann. Sie steht dann unter dem Befehl des jeweiligen Gouverneurs. Kommt es zum Krieg oder zu nationalen Notfällen, kann der US-Präsident das Kommando übernehmen.

Die Polizei vertrieb Demonstranten von einer Autobahn, die durch die Innenstadt führt.

Die Polizei vertrieb Demonstranten von einer Autobahn, die durch die Innenstadt führt. © Eric Thayer/AP/dpa

Bei den Protesten waren auch immer wieder mexikanische Flaggen zu sehen.

Bei den Protesten waren auch immer wieder mexikanische Flaggen zu sehen. © Jae C. Hong/AP/dpa

Soldaten der Nationalgarde marschierten vor einem Bundesgefängnis in Los Angeles auf.

Soldaten der Nationalgarde marschierten vor einem Bundesgefängnis in Los Angeles auf. © Jae Hong/AP/dpa