Karstadt-Schock in Nürnberg: Was wird aus den Mitarbeitern?

20.6.2020, 14:28 Uhr

Hier sitzt sie täglich und sehr lange auf ihrem roten ausklappbaren Hocker. Vor ihr ausgebreitet – der "Straßenkreuzer". Seit 24 Jahren verkauft sie die Obdachlosenzeitung für Nürnberg an dieser Stelle. Das klappt gut: Der gewölbeartige Eingangsbereich zum Kaufhaus bietet ihr in heißen Tagen etwas Schatten und bei Regen Schutz vor Nässe. Vor allem aber: An dieser Stelle gibt es genug Kundschaft, Menschen, die bei Karstadt einkaufen und immer wieder auch für ihre Zeitung in den Geldbeutel greifen.


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Als die "Straßenkreuzer"-Verkäuferin hört, dass die Filiale geschlossen werden soll, ist sie empört: "Was soll das? Wo sollen denn die Leute in der Stadt einkaufen gehen?" Die Frau hat nicht nur ihren Arbeitsplatz vor dem Laden, sie kauft dort selbst immer wieder ein. Das erzählt sie aufgeregt und zückt als Beweis die Karstadt-Kundenkarte. "Ich habe vier Kinder, und sie alle kaufen auch hier ein."

Immer wieder steuern die Passanten an diesem späten Nachmittag den Eingangsbereich der Karstadt-Filiale in der Nähe der Lorenzkirche an. Und drehen sich wieder um, nachdem sie den Aushang an der Kaufhaus-Tür gelesen haben. "Heute können wir aus organisatorischen Gründen nicht öffnen", steht dort.

"Ich bin geschockt"

Dass geplant ist, die Lichter in der Filiale bald ganz auszuschalten, macht die Menschen betroffen. "Ich bin geschockt", sagt Inge Seitz. "Das ist einfach unmöglich. Ich kenne doch alle meine Damen in der Kosmetikabteilung. Was machen sie jetzt?" Die 64-Jährige schätzt das große Sortiment des Ladens, in dem sie seit ihrer Eröffnung einkauft. "Ich habe mir mit meinen Kindern noch die Baugrube angeschaut, als das Gebäude errichtet wurde. Es war ein tolles Erlebnis für sie", erinnert sich die Nürnbergerin und ihre Stimme wirkt leicht melancholisch.

Ihre beiden Töchter sind heute mit ihr in der Stadt unterwegs. Auch sie sind betroffen. "Wir waren hier jeden Freitag einkaufen", erzählt Evelyn Frank. Sie mag vor allem die Kosmetik- und die Sport-Abteilung. Für ihr Kind kauft sie ebenfalls gerne in der Innenstadt-Filiale ein, sagt Frank. "Die Schuhe, die meine Tochter trägt, haben wir hier gekauft", sagt sie und zeigt auf die schwarzen Sneakers ihres eineinhalbjährigen Mädchens, das im Buggy sitzt.

Franks Schwester Sabine Seitz sagt zur angekündigten Schließung: "Ich bin entsetzt. Ich hätte nie gedacht, dass es soweit kommt." Ihr gefiel die Sportabteilung des Warenhauses besonders gut. Deren Vorzüge betont auch Tanja Knogl. Sie fährt immer wieder aus Altenfurt her, um hier an der Lorenzkirche bei Karstadt einzukaufen – und das seit über 30 Jahren. "Ich habe viel Tenniskleidung für meine Tochter eingekauft", erzählt sie.

Heute wollte sie sich einen Gürtel besorgen und muss unverrichteter Dinge wieder gehen. "Mir gefiel auch die Exklusivität, die große Auswahl und der Umtauschservice. Und was kommt jetzt? Es ist tragisch, dass die Filiale schließen muss. Es berührt mich total. Was wird nun aus den Mitarbeitern?", fragt Knogl.



"Es ist ein tolles Kaufhaus", betont Jürgen Rödl, der heute ebenfalls ein paar Sachen bei Karstadt kaufen wollte. Die angekündigte Schließung kann er nicht nachvollziehen: "Es war doch immer viel Gewusel hier, der Laden war voll." Er vermutet vor allem die Corona-Zeit als Ursache für diese unternehmerische Entscheidung. Dass der Kaufhof ums Eck weiterhin offen bleibt, ist für ihn kein wirklicher Trost: "Bei Karstadt war die Lebensmittelabteilung einfach überragend."