Talk mit Zündstoff

"Kleine Paschas": CDU-Chef Merz poltert bei Markus Lanz gegen Migranten

Stefan Besner

Online-Redaktion

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11.1.2023, 14:04 Uhr
Die Gewalt in der Silvesternacht gegen Rettungskräfte und die Polizei verurteilte CDU-Chef Merz in der Sendung bei Lanz scharf.

© IMAGO Die Gewalt in der Silvesternacht gegen Rettungskräfte und die Polizei verurteilte CDU-Chef Merz in der Sendung bei Lanz scharf.

Ordentlich Zündstoff gab es in der ersten Lanz-Sendung im neuen Jahr - wortwörtlich. Thema waren die Krawalle in der Silvesternacht, insbesondere in Berlin. Für die fast schon unweigerliche Explosion sorgte dann Friedrich Merz. In polemischer Wahlkampfmanier polterte der CDU-Chef los, forderte Abschiebungen und sprach in Bezug auf Söhne arabischer Eltern von "kleinen Paschas". Für den Soziologen und ehemaligen Lehrer Aladin El-Mafaalani, als Kind syrischer Eltern im Ruhrgebiet geboren und inzwischen Berater für das Bundesfamilienministerium, machte Merz es sich da viel zu einfach.

Die Krawalle in der Silvesternacht

Wie die Tagesschau berichtet, hat die Berliner Polizei nach Ausschreitungen während der Silvesternacht zahlreiche Verfahren eingeleitet, davon 49 zu den Angriffen auf Polizisten mit 37 Beschuldigten und 53 Verfahren, bei denen Feuerwehrleute angegriffen worden seien. Die bisher bekannte Zahl von 145 Festgenommenen mit 18 verschiedenen Nationalitäten hatte eine Debatte über mangelnde Integration in Hotspots wie Neukölln ausgelöst. Nach Informationen des Tagesspiegel sei diese Zahl jedoch nur bedingt aussagekräftig. Sie beziehe sich auf alle Personen, die von den eigens für Silvester eingesetzten Einheiten wegen verschiedener Delikte in der gesamten Stadt festgenommen wurden. Von den 139 Männern und sechs Frauen sind 45 Deutsche, danach folgen 27 Afghanen, 21 Syrer, neun Iraker, jeweils fünf Polen, Türken und Libanesen.

Merz fordert hartes Durchgreifen

Die Gewalt in der Silvesternacht gegen Rettungskräfte und die Polizei verurteilte CDU-Chef Merz in der Sendung bei Lanz scharf. Er bezeichnete sie als "ganz grauenhaft" und konstatierte: "Ich denke, wir haben in Deutschland über zu viel Zeit, zu lange Jahre weggeschaut, die Brennpunkte Brennpunkte sein lassen." Den Grund für die Ausschreitungen, speziell in Berlin, sieht Merz allen voran in mangelnder Integration. Er forderte, dass junge Männer, die "den Rechtsstaat herausfordern" und sich nicht "an die Regeln halten wollen", in aller Härte "die Grenzen aufgezeigt" bekommen.

El-Mafaalani hält dagegen

Bereits 2018 gab es vergleichbare Ausschreitungen in zahlreichen deutschen Städten, darunter Köln. Auch damals seien härtere Strafen gefordert worden, legte Aladin El-Mafaalani dar - von Seiten der damaligen CDU-Regierung sei jedoch nichts passiert. In gewissen Milieus sei zunehmend zu beobachten, wie Rollen- und Funktionsträgern mit deutlich weniger Respekt begegnet werde, wie junge Männer geradezu eine Freude daran entwickelten, "Attacken gegen die soziale Ordnung zu starten", führt der Soziologe weiter aus. Aufgrund dessen aber "pauschal die Geschichte von Migration und Integration schlecht zu reden", das geht El-Mafaalani ein ganzes Stück zu weit. Millionen Menschen würden erfolgreich integriert. In seinen Augen reproduziere Merz lediglich Stereotype. In den kommenden Jahren werde Deutschland mit seiner alternden Gesellschaft zudem "richtig viel Einwanderung" brauchen. "Gerade in dem Kontext müssen wir doch richtig konstruktiv und richtig ernst die Themen bearbeiten."

Haben "in Deutschland nichts zu suchen"

Für Merz stellen das Problem vor allem Jugendliche aus dem arabischen Raum dar. Jungen und junge Männer, die nicht bereit seien, sich hier in Deutschland an die Regeln zu halten. "Wir sprechen hier über Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben. Die wir hier seit längerer Zeit dulden, die wir nicht zurückschieben, die wir nicht abschieben und bei denen wir uns dann darüber wundern, dass es hier solche Exzesse gibt." Das fange schon in den Grundschulen an, wo Lehrerinnen und Lehrer jeden Tag "verbale Gewalt" erlebten. "Und dann wollen sie diese Kinder zur Ordnung rufen und die Folge ist, dass die Väter in den Schulen erscheinen und sich das verbitten", echauffierte sich Merz. "Insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen."

"Sie sprechen mir etwas zu viel über Arabischstämmige."

"Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.", entgegnete El-Mafaalani auf Merz Tirade. "Sie sprechen mir etwas zu viel über Arabischstämmige. Afghanen sind schon mal keine Arabischstämmigen. Eine ganze Reihe anderer Nationalitäten, die die Polizei erfasst hat, sind auch keine Arabischstämmigen.“

Wie das ZDF berichtet, waren laut Berliner Polizei unter den insgesamt 145 vorübergehend Festgenommenen 45 Deutsche. Die Übrigen haben mehrheitlich einen afghanischen oder syrischen Pass. 38 Personen wurden wegen Angriffen mit Böllern festgenommen, von ihnen sind knapp zwei Drittel Deutsche.

El-Mafaalani sieht ein schwerwiegend, strukturelles Problem, speziell in den Schulen. "Wir haben keine gut ausgestatteten Grundschulen. Wir haben keine multiprofessionellen Teams, pädagogische Fachkräfte, die gerade für solche Kontexte ausgebildet sind." Daran solle man eher arbeiten, als ständig mit dem Wort "Araber" Stimmung zu machen. Die CDU habe lange genug "bundesweit regiert" und diese Probleme nicht hinreichend angegangen, auch in Nordrheinwestfalen, wo Merz' eigener Wahlkreis liegt. Eine "selbstkritische Aufarbeitung" in der CDU wäre seiner Meinung nach längst dringend notwendig.

CDU erfragt Namen von Verdächtigen

Der CDU-Chef lässt sich indessen nicht von dem Kampfbegriff abbringen und ärgert sich weiter über bestimmte Menschen "aus der arabischen Welt". Seine Partei sieht das offenbar ähnlich. Nach der Gewaltnacht von Berlin hatte die dortige CDU im Innenausschuss nach den Vornamen der Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit gefragt, unabhängig von deren Nationalität im Pass.

Damit sowie mit den Zahlen der Berliner Polizei konfrontiert, sagte Merz: "Ob das ein probates Mittel ist, herauszufinden, wer da beteiligt war oder nicht, ich vertraue der Statistik, die auch von der Polizeibehörde in Berlin herausgegeben wird." Und die sei seiner Meinung nach eindeutig. Es gebe natürlich auch Menschen mit Migrationshintergrund, die "hervorragend integriert" seien, räumte Merz mit Blick auf El-Mafaalani ein: "Das wissen Sie, Sie sind doch auch ein gutes Beispiel dafür."

Darauf konterte der Soziologe: "Die Aussage ist: 'Selbst, wenn ihr eingebürgert seid, selbst wenn ihr hier geboren seid, am Ende gucken wir uns nochmal den Vornamen an'." Das Signal sei das Gegenteil von dem, was eine sinnvolle, zukunftsorientierte Integrationspolitik wäre.