EU hat große Verantwortung

Klimagipfel in Glasgow: Die Welt geht noch nicht unter - aber jetzt ist Einsatz gefragt

29.10.2021, 19:08 Uhr
Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat gezeigt, dass die Auswirkungen des Klimawandels längst auch Deutschland betreffen.

© Boris Roessler, dpa Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat gezeigt, dass die Auswirkungen des Klimawandels längst auch Deutschland betreffen.

Kann das was werden? Gastgeber des Weltklimagipfels ist ausgerechnet Boris Johnson. Ein Populist, Clown, Zyniker und Zocker – um nur einige seiner Facetten zu nennen. Nun ist er als Stratege und Diplomat gefragt. Immerhin: Wie seine jüngsten Äußerungen zeigen, scheint er das Thema Klima ernst zu nehmen. Oder er sehnt sich im Brexit-Chaos einfach nach einem Erfolg auf der Weltbühne.

Auf dieser Bühne haben sich nach Trumps Abwahl auch die USA als Mitgestalter zurückgemeldet. Wenngleich sich vor allem die Umgangsformen geändert haben: Auch bei Biden kommt Amerika zuerst. Innenpolitisch ist es ihm aufgrund der äußerst knappen Mehrheit der Demokraten kaum möglich, eine ambitionierte Klimapolitik durchzusetzen. Doch zumindest glaubt und arbeitet er daran.

Deutschland trifft es stärker

Das ist die gute Botschaft: Die Erkenntnis, dass es einen vom Menschen beeinflussten Klimawandel wirklich gibt, setzt sich immer mehr durch. Leider auch deshalb, weil die Auswirkungen spürbarer werden. Es müssen keine traurigen Eisbären und versinkenden Tropeninseln mehr plakatiert werden. Deutschland ist sogar stärker betroffen als andere Länder Europas, der Temperaturanstieg liegt hier leicht über dem Durchschnitt. Nach mehreren Dürresommern hat uns in diesem Jahr eine Flutkatastrophe vor Augen geführt, dass wir handeln müssen.

Es gibt viel zu tun: Wenn der wegweisende Gipfel von Paris 2015 die Verlobung war, dann soll Glasgow nun die Hochzeit werden. So erhoffen sich das die Klimaschützer. Doch das Programm klingt unromantisch. Die letzten offenen Punkte aus dem Pariser Abkommen müssen jetzt in klare Regeln gefasst werden, insbesondere der zwischenstaatliche Handel mit CO2-Gutschriften: Hier gilt es zu verhindern, dass sich Staaten aus ihrer Verantwortung freikaufen können.

Auch bei der finanziellen Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen in ärmeren Ländern muss konkret nachgelegt werden. Zudem müssen feste Kriterien zur Bewertung von Fortschritten vereinbart werden - und im Idealfall sogar höhere Ziele. Denn neue Gutachten zeigen, dass die bisher geplanten Maßnahmen nicht ausreichen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 bis maximal 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Angst vor Protesten

Ob Glasgow ein Erfolg wird, liegt maßgeblich an drei Akteuren. Die großen CO2-Emittenten USA und China zaudern und belauern sich. Eine engagierte EU könnte sie mitreißen. Erst im Sommer hat sie das ambitionierte Klimapaket "Fit vor 55" vorgelegt, doch angesichts steigender Energiepreise haben viele nun Angst vor der eigenen Courage - wie etwa Frankreichs Präsident Macron, der neue Gelbwesten-Proteste fürchtet. Auch in Deutschland wächst die Sorge.

Aus europäischer Sicht erfordert erfolgreicher Klimaschutz damit einen Spagat: Es gilt nicht nur, andere Staaten mitzureißen, sondern auch die eigene Bevölkerung mitzunehmen.

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