Kommentar: Grundrechte in Gefahr?

19.1.2015, 20:48 Uhr

Denn es geht ein fatales Signal von dem Verbot aus: Es entsteht der Eindruck, als hätten die Verursacher der Terror-Warnung, also vermutlich salafistische Kreise, damit schon etliche ihrer Ziele erreicht. Zum einen die Einschränkung unserer Freiheit. Zum anderen die Spaltung der Gesellschaft: Dass da womöglich mit dem dubiosen Lutz Bachmann ein führender Kopf der Pegida-Bewegung als Terror-Ziel ausgewählt worden ist, das schürt bei vielen islamophobe Stimmungen; der vorbestrafte Protagonist der Protestbewegung erhält so bei manchen den Nimbus eines Märtyrers, der nun offenbar von Dschihadisten ins Visier genommen wird.

Pegida in der Opferrolle

Eine solche Aufwertung haben die selbst ernannten Verteidiger des Abendlands aber nicht verdient. Die Pegida-Organisatoren kokettieren ohnehin mit ihrer angeblichen Opferrolle: Sie würden nicht beachtet, nicht ernst genommen.

Von wegen: Seit Wochen sind die Medien — in der Ausdrucksweise der Pegida-Leute: die „Lügenpresse“ — voll von Berichten über diese Gruppe, obwohl sich deren Macher erst jetzt dazu herabließen, ebendiesen Medien auch Rede und Antwort zu stehen. Kathrin Oertel, die Frontfrau von Pegida, war Gast in Günther Jauchs Polit-Talk. Eine nach wie vor überschaubare Gruppe, die außerhalb von Dresden allenfalls noch weitaus kleinere Ableger findet, dominiert also die Schlagzeilen nicht nur in Deutschland.

Und es sind wieder einmal jene alten Sätze, die bei ihren Aussagen allzu oft durchklingen: Man werde doch wohl noch dieses oder jenes sagen dürfen in Deutschland — oder, abgewandelt, man könne manches eben nicht mehr sagen. Oertel sprach bei Jauch von „Themen, die absolut tabu waren“, und nannte als Beispiel Asyl und Zuwanderung. Was zeigt: Sie durfte, sie konnte das sagen, ohne jeden Eingriff. Und sie hatte sogar noch das unverdiente Glück, dass ihr außer dem engagierten CDU-Abgeordneten Jens Spahn niemand, auch der zu moderate Moderator Jauch nicht, entschieden widersprach.

Dem Unsinn widersprechen

Denn zum einen gilt: Natürlich „wird man doch noch sagen dürfen“, was Pegida umtreibt. Aber man muss dann zum anderen schon damit rechnen und auch leben, dass es Menschen gibt, die solchen Aussagen mit Fakten und Argumenten widersprechen, die dann Unsinn auch Unsinn nennen und falsche Behauptungen oder Vorurteile nicht einfach stehen lassen. Beispiel Asyl und Zuwanderung: Das waren und sind zentrale Themen der deutschen Politik und Publizistik.

Man solle sich mit den Forderungen von Pegida auseinandersetzen, verlangt die Gruppe. Das war zuerst ein 19-Punkte-Papier, das nun auf sechs Forderungen verkürzt wurde — die aber auf den Kundgebungen kaum eine Rolle spielten. Dort dominierten andere, aggressive Töne. Zudem arbeitet die Politik auf allen Ebenen längst an den Themen der Liste.

Interessant, dass dem CDU-Mann Spahn auf der Facebook-Seite von Pegida unterstellt wird, dass er „vor Aggression und Arroganz nur so strotzte“: Er warb schlicht für das Engagement in Parteien oder auch nur in Bürgersprechstunden. Man nennt das Demokratie. Die braucht ihre Zeit — und aktive Bürger. Genau auf dieses Engagement verzichten die Pegida-Initiatoren. Sie organisieren nur Unmut, verweigern sich bisher aber dem Dialog und der Kontroverse. Demokratisch ist das nicht: Wer sich selbst ausschließt, muss sich nicht wundern, wenn Demokraten dies ankreiden.

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