Kommentar: Hass kann die Gesellschaft zersetzen

15.2.2020, 09:47 Uhr

Hetze im Internet führt dazu, dass Hass sagbar wird – und zwar laut und grell. © Oliver Berg/dpa

Gut, dass die Fahnder diese mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle entdeckten, bevor die Gruppe zu jenen Taten schreiten konnten, die sie offenbar vorhatte – Anschläge gegen Politiker, Flüchtlinge, Muslime. Mit dem Ziel, den Rechtsstaat ins Mark zu treffen.


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Die Festnahmen zeigen, dass dieser Rechtsstaat seine Feinde im Blick zu haben scheint – ganz im Sinne jener wehrhaften Demokratie, die wir zusehends dringender brauchen. Weil die Attacken auf sie erschreckend zunehmen – Attacken in Worten und Taten. Wir erleben, wie sich das Gift des Hasses ausbreitet. Ein gefährlicher Virus, der Gesellschaften zersetzen kann.

Aggressionen werden auch gesagt

Es geht dabei keineswegs nur um Terror-Pläne und tatsächlich ausgeübte Gewalt. Die hat nämlich in der Regel eine Vorgeschichte: Hass entsteht im Kopf, und dort bleibt er zum Glück in den meisten Fällen auch. Ganz banales Beispiel: Man malt sich aus, wie man sich an dem Autofahrer rächt, der einem dreist den Parkplatz weggeschnappt hat...

Inzwischen werden solche Aggressionen aber oft nicht mehr nur gedacht, sondern auch gesagt. Genauer: gebrüllt. Oder gepostet. Hass wird sagbar – unsagbar laut und grell. Nachzuhören etwa bei Attacken auf Polizisten oder Feuerwehrleute, die ihren Dienst tun. Nachzulesen in den dann tatsächlich asozialen Netzwerken wie Facebook.



Bei manchen kommt ideologische Verblendung dazu, und dann wird es brandgefährlich, wenn deren Hass in Gewalt umschlägt. Siehe den Mord an Walter Lübcke oder den Anschlag von Halle.

 

 

 

Siehe aber auch Attacken gegen FDP-Politiker nach dem Eklat von Thüringen: Es gibt rechten Hass, aber auch Hass und Gewalt von links.

Freunde der Demokratie und Anhänger unseres Grundgesetzes, das die Würde aller Menschen ins Zentrum stellt, müssen jede Art solcher Gewalt verurteilen und bekämpfen. Und sie tun gut daran, sich nicht aufs Niveau der Hasserfüllten zu begeben: Man darf und muss sich empören über die Art, wie die AfD in Erfurt die Demokratie nutzte, um sie und ihre Repräsentanten zu beschädigen. Auch die Fahrlässigkeit, mit der sich FDP und CDU darauf einließen, ist zu kritisieren. Aber nicht mit Worten des Hasses.

Anstand und Würde wahren

"When they go low, we go high" – frei übersetzt: Wenn sie sich nicht benehmen können, wahren wir erst recht den Anstand. Das sagte Michelle Obama angesichts der Hass-Attacken Donald Trumps, und das ist ein exzellenter Rat, um die Menschenwürde zu wahren und doch deutlich zu werden.



Auch Frank-Walter Steinmeier wurde nun deutlich: In München prangerte er die Rückkehr zum Egoismus und zu nationalen Alleingängen an, die im schlimmsten Fall in den Abgrund führen. Auch Nationalismus ist oft mit Hass verbunden: Hass auf andere, denen man sich überlegen fühlt. Wir Deutschen haben damit viel zu viel Erfahrung.