Hasskommentare im Netz: So gehen wir dagegen vor

12.2.2020, 09:30 Uhr
Hasskommentare im Netz: So gehen wir dagegen vor

© Foto: Jan Woitas/dpa

Dass sich selbst Juristen mit der Frage gelegentlich schwertun, was davon noch zulässig und was bereits strafbar ist, zeigt nicht nur der Fall von Renate Künast. Die Grünen-Politikerin war gegen mehrere Internetnutzer vor Gericht gezogen, die sie übel beschimpft hatten, unter anderem als "Drecksfotze" und "Stück Scheiße". Die Berliner Richter sahen das als gedeckt von der freien Meinungsäußerung – ein Urteil, dem etliche Juristen nicht folgen können.

Wenn sich die Fachleute schon nicht einig sind, stoßen Laien erst recht an ihre Grenzen, auch in den Redaktionen, die die Internetseiten der Medien betreuen. Auch dort tummelt sich in der Masse der seriösen User eine kleine Gruppe, die jedes Argument mit der Keule pariert. Unter ihnen wiederum jene, die die Foren als Bühne für ihre Agitation nutzen, gegen Minderheiten hetzen, gegen die Politik, den Staat.

Bislang mussten sie wenig befürchten. Bestenfalls löschten Redakteure die schlimmsten Posts. Für die Autoren selbst aber hatte das kaum Folgen. "Hass und Hetze verändern unsere Gesellschaft", warnt Siegfried Schneider, Präsident der Landeszentrale für Neue Medien. "Sie vergiften sie." Die Anonymität des Internets machten "das Wort als Waffe" noch gefährlicher. "Löschen allein ist nicht die Lösung."


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Justiz und Medien gehen deshalb ein Bündnis ein, das es bisher so noch nicht gegeben hat. "Konsequent gegen Hass und Hetze" heißt ihr Projekt, an dem sich auch Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung und nordbayern.de beteiligen. Der Bayerische Rundfunk mit seinen Sendern ist dabei sowie rund 60 weitere Verlage und Sender.

Schon jetzt prüfen geschulte Mitarbeiter die Posts und entscheiden, ob sie untragbare Inhalte löschen. Künftig können sie Posts, die womöglich auch strafrechtlich relevant sind, auf eine spezielle Internetseite hochladen. Drei Staatsanwälte der Abteilung für politisch motivierte Straftaten bei der Münchner Staatsanwaltschaft prüfen, ob überhaupt und wenn ja, welche Straftatbestände erfüllt sein können. Bei Volksverhetzung etwa müssen sie anschließend von Haus aus ermitteln. Bei Beleidigung entscheiden das die Beleidigten, auf die die Staatsanwälte gegebenenfalls zugehen.

 

Es gehe, betonen die Initiatoren, "nicht darum, dass wir die Meinungsfreiheit einschränken wollten. Im Gegenteil." Wer die Straftäter verfolge, die Hetzer und Beleidiger, "der beschützt die Meinungsfreiheit und beschneidet sie nicht", sagt etwa Siegfried Schneider. "Wir dürfen das Internet nicht denen überlassen, die unsere Gesellschaft und unsere Demokratie abschaffen wollen."

Hans Kornprobst, Leitender Oberstaatsanwalt, argumentiert ähnlich. Seine Behörde verfolge, was das Gesetz vorgibt. "Im Internet darf nichts anderes gelten als bei jeder Veranstaltung", sagt er. Dort werde ganz selbstverständlich jeder zur Rechenschaft gezogen, der gegen Ausländer hetze, zu Gewalt aufrufe oder Menschen beleidige. Im Internet dürfe das nicht anders sein.

Allerdings geraten im Internet die Ermittler schnell an ihre Grenzen. Zwar sind die Anbieter wie Facebook und Co. gesetzlich verpflichtet, mit den Fahndern und Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, wenn die gegen Straftäter ermitteln. "Nur wird das nicht überall befolgt", sagt Kornprobst. Mal verweisen die Firmen dann auf interne Standards, die die Herausgabe der Daten angeblich verbieten. Mal verweisen sie aufs Ausland, weil sie dort ihren Firmensitz haben oder die Server stehen.

"Ich erwarte, dass sich die sozialen Medien auch sozial verhalten und entsprechende Anfragen der Staatsanwälte beantworten", sagt Justizminister Georg Eisenreich. So oder so: Bayern will demnächst ein umfangreiches Gesetzespaket vorlegen und unter anderem weit härtere Strafen für Hetzer im Internet verlangen.

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