Linke-Basis beantragt Ausschlussverfahren

Kommentar: Wird Wagenknecht von ihrer Partei rausgeworfen?

11.6.2021, 18:40 Uhr
Mitglieder der Linken haben ein Parteiausschlussverfahren gegen Sahra Wagenknecht beantragt.

© Jürgen Heinrich via www.imago-images.de, imago images/Jürgen Heinrich Mitglieder der Linken haben ein Parteiausschlussverfahren gegen Sahra Wagenknecht beantragt.

Es gibt in allen Parteien Mitglieder, auf die Vorsitzende gerne verzichten würden, weil sie in der Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit sorgen, die gar nicht gewünscht ist. Es sind sehr unterschiedliche Temperamente, die mit ihren Äußerungen bewusst gegen Beschlüsse und gegen das Selbstverständnis ihrer Parteien verstoßen.

Kontroverse Themen

Erinnert sei an Thilo Sarrazin, der die SPD-Oberen mit seinen deutsch-nationalen Vorstößen und Thesen über Jahre hinweg zur Weißglut brachte. 2020 wurde er ausgeschlossen. Gegen Boris Palmer läuft derzeit ein Ausschlussverfahren bei den Grünen. Palmer, erfolgreicher OB von Tübingen, hat mit kontroversen Thesen zur Migrationspolitik die Parteibasis immer wieder gegen sich aufgebracht, weil er auf pragmatische Probleme bei der Integration aufmerksam gemacht hat.


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Sein ironisch gemeinter, aber ironisch nur schwer zu verstehender Facebook-Kommentar zur Hautfarbe eines Fußballspielers war dann zu viel für die grüne Toleranz. Auch die CDU hat ihre nur schwer zu integrierenden Parteimitglieder. Der Vorsitzende der konservativen Werteunion, Max Otte, liebäugelt offen mit der AfD und könnte sich eine Zusammenarbeit mit ihr vorstellen. Das ist ein offener Bruch mit Parteitagsbeschlüssen der Union. Er steht derzeit unter Beobachtung des Parteivorsitzenden Armin Laschet.

Die reine Lehre

Jetzt haben die Vertreter der reinen linken Lehre offenbar Sahra Wagenknecht ins Visier genommen. Die Spitzenkandidatin der Linken in Nordrhein-Westfalen hat sich in ihrem neuen Buch „Die Selbstgerechten“, derzeit immerhin Platz vier auf der Spiegel-Bestsellerliste, mit dem Partei-Establishment angelegt.

Sie kritisiert, dass es ihrer Partei vor allem um Lifestylefragen geht. Im Vordergrund stünden Themen wie Diversität, Individualität und kosmopolitische Fragestellungen. Soziale Probleme, wie die Förderung von Zuwandererkindern, schlecht verdienenden Frauen und Leiharbeitern würden dagegen vernachlässigt.

Ist Identitätspolitik ist Luxus?

Wagenknecht spricht sich gegen eine unkontrollierte Zuwanderung aus und hält die Identitätspolitik für Minderheiten für Luxus, den man sich erst einmal leisten muss. Aus den Reihen der Linken-Parteibasis wurde deshalb der Antrag gestellt, Wagenknecht aus der Partei auszuschließen. Mitten im Wahlkampf wird aber nichts passieren.


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Demokratie lebt vom Widerspruch, von der Vielfalt, von der Diskussion und vom argumentativen Austausch. Das gilt nicht nur für das Verhältnis der Parteien untereinander, sondern auch innerparteilich. Soweit die Theorie. Doch oftmals sieht die Praxis anders aus. Sicher, die genannten Persönlichkeiten sind schwierige Charaktere, sie sind eitel und müssen auch nicht Recht bekommen.

Doch Parteien sollten solche eigenwilligen Typen auch verkraften. Sie sprechen ja nicht im Namen ihrer Partei, sondern als Parteimitglieder. Provozierende Ansichten sollten nicht ausgeblendet werden, sondern erst einmal Anlass zum Nachdenken sein. Wagenknechts Buch müsste eine Pflichtlektüre für die Linken-Mitglieder sein. Dann hätte sich die Linke bei der Wahl in Sachsen-Anhalt mit dem überkommenen Thema vom Ost-West-Gegensatz wohl nicht so verhoben.

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