Forderung nach Konsequenzen

Kommentar zu falschen Inzidenzen: Nichts schönzureden

6.12.2021, 15:57 Uhr
"Persönlichkeiten in führenden Ämtern, die die Bürger täuschen, sind nicht länger tragbar“ - sagt Martin Hagen, FDP-Fraktionschef im bayerischen Landtag.

© Matthias Balk, dpa "Persönlichkeiten in führenden Ämtern, die die Bürger täuschen, sind nicht länger tragbar“ - sagt Martin Hagen, FDP-Fraktionschef im bayerischen Landtag.

Daran gibt es nichts schönzureden: Wenn das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zigtausende von positiv auf Corona getestete Personen einfach als "ungeimpft" in die Statistik einfließen lässt, obwohl deren Impfstatus gar nicht bekannt ist, dann ist das nicht nur falsch, sondern auch unverantwortlich.


Auf diese Weise entstand der Eindruck, dass ein Geimpfter gegen eine Infektion mit Covid-19 fünfzehnmal besser geschützt ist als ohne Impfschutz. Dass dies nicht richtig sein kann, zeigt schon der Blick auf andere Länderstatistiken und des Robert-Koch-Instituts. Warum ist eigentlich nicht schon früher aufgefallen, dass die Impfstoffe im Freistaat auf wunderbare Weise besser wirken sollen als im Rest der Welt?

Wie wird der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) auf die Berichte über die falschen Inzidenzzahlen des Landesamts für Gesundheit reagieren?

Wie wird der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) auf die Berichte über die falschen Inzidenzzahlen des Landesamts für Gesundheit reagieren? © Daniel Karmann, dpa

Erstaunlich ist auch, dass eine sonst überaus penible bayerische Behörde so großzügig mit der Interpretation von Zahlen operiert. Es geht ja schließlich nicht nur um ein paar Stellen hinter dem Komma. Eine Formulierung wie "weit überwiegende Anzahl", mit der sich LGL-Präsident Walter Jonas zu rechtfertigen suchte, passt ganz und gar nicht in das Bild einer exakt arbeitenden bayerischen Staatsverwaltung.

Wasserfall auf die Mühlen der Impfgegner

Dass hier einfach jemand nicht gründlich oder logisch genug nachgedacht hat, ist schwer zu glauben. Es handelt sich um eine ganz zentrale Statistik, die Grundlage für das politische Handeln in der Pandemie ist. Wer auch immer angenommen hat, im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Politik nicht so ganz stichfeste Argumente für das Impfen liefern zu müssen, hat der Impfkampagne einen Bärendienst erwiesen. Die ganze Affäre ist nicht nur Wasser, sondern ein ganzer Wasserfall auf die Mühlen der Impfgegner und Corona-Leugner, die sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen werden, die Manipulationen der "Impf-Diktatur" anzuprangern.

Es sei doch klar, dass die Zahl der Ungeimpften unter den Infizierten um ein Vielfaches höher sei, begegnete CSU-Generalsekretär Markus Blume gestern der massiven Kritik, an deren Spitze sich die FDP gesetzt hat. So einfach kann man es sich freilich nicht machen. Es ist doch ein Unterschied, ob das Risiko, sich als Geimpfter trotzdem anzustecken, fünfzehnmal oder nur zwei- bis dreimal niedriger ist als bei Ungeimpften. Das bedeutet: Der Impfschutz ist weitaus weniger wirksam als man (in Bayern) bisher glauben machte, auch wenn Geimpfte ein weitaus geringeres Risiko haben, schwer zu erkranken. Woanders wusste man das schon, weil man da die Statistiken wahrheitsgemäßer führt. Peinlich, blamabel.

Die Bewertung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die vierte Welle sei eine "Pandemie der Ungeimpften", wird damit nicht grundsätzlich falsch, steht aber auf wackeligeren Beinen. Man darf vermuten, dass beim LGL mit Sitz in Erlangen personelle Veränderungen ins Haus stehen.

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