Kommentar zu neuem Führungsduo: Was will die Linke eigentlich?

28.2.2021, 12:40 Uhr
Janine Wissler (links) und Susanne Hennig-Wellsow (rechts), die neuen Bundesvorsitzenden der Partei Die Linke, stehen nach ihrer Wahl beim Online-Bundesparteitag der Linken zusammen und halten einen Blumenstrauß.

© Bernd von Jutrczenka, dpa Janine Wissler (links) und Susanne Hennig-Wellsow (rechts), die neuen Bundesvorsitzenden der Partei Die Linke, stehen nach ihrer Wahl beim Online-Bundesparteitag der Linken zusammen und halten einen Blumenstrauß.

Doppelspitzen haben in der Politik einen gewissen Reiz. Eine Partei muss sich nicht auf eine bestimmte Person und damit auf einen einzig richtigen Kurs festlegen. Man kann der Basis und den Wählern ein breites Angebot machen und jeweils die Führungsperson in die öffentliche Debatte schicken, die ein Thema publikumsträchtig vertreten kann.

Mit dieser Methode arbeitet die Linke schon seit jeher. Nach neun Jahren mit Bernd Riexinger und Katja Kipping an der Spitze werden nun Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow die Partei in das Superwahljahr führen. Beide Frauen haben als Fraktionsvorsitzende bereits reichlich Erfahrungen auf Landesebene gesammelt, sind aber trotzdem noch jung und als politische Gesichter unverbraucht. So weit, so gut.

Was aber den Beobachter von außen sehr irritieren muss: Unterschiedlichere Signale könnte eine Doppel-Personalie kaum senden. Hennig-Wellsow kommt aus dem Realo-Landesverband Thüringen, in dem die Linke seit Jahren an der Regierung ist und sogar den Ministerpräsidenten stellt. Ganz offensiv vertrat die Ostdeutsche auf dem Parteitag die Idee einer grün-rot-roten Bundesregierung, um die Union als "ewige" Regierungspartei abzulösen.

Eine der beiden Neuen lehnt Kompromisse ab

Wissler verkörpert das genaue Gegenteil. Sie steht ganz weit links, ist bekennende Marxistin, lehnt den Kapitalismus als "unmenschliches, grausames System" ab und spricht sich gegen Bundeswehreinsätze im Ausland aus. Kompromisse, die man in Koalitionsregierungen, selbst in solchen mit Parteien aus dem linken Spektrum, eingehen müsste, widerstreben ihr.

Was sollen eigentlich die anderen Parteien, die linke Basis selbst und die Wahlberechtigten von diesem ungewöhnlichen Führungsduo denken? Wo steht die Linke? Für alles zwischen einer etwas linkeren Sozialdemokratie und einer klassenlosen Gesellschaft im Sinne von Karl Marx? Wer soll aus dieser inhaltlichen Spreizung noch schlau werden?


Rücken gerade, Kopf hoch - neue Linke-Chefinnen vor schwerer Aufgabe


Eine grün-rot-rote Bundesregierung nach der Wahl im September ist jedenfalls durch die Personalie nicht näher gerückt. Alleine in der Außen- und Sicherheitspolitik werden SPD und Grüne dem Kurs der Linken mehrheitlich nicht folgen wollen, denn wir hätten dann in der Tat eine andere Republik.

Von einer Regierungsmehrheit weit entfernt

Aber nicht nur inhaltlich, auch rechnerisch scheint eine solche Koalition gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl kaum Chancen zu haben. Nimmt man die aktuellsten Umfragen, dann bringen es die drei Parteien auf gut 40 Prozent der Stimmen. Da müsste schon viel passieren, um an der Union vorbei eine Mehrheit zu zimmern. Mit einer Linken, die die Grundpfeiler der deutschen Nachkriegspolitik anzweifelt, dürfte das kaum gelingen.

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