Kommentar zum Krisenmanagement: Söder, der Ausnahmepolitiker?

19.12.2020, 17:25 Uhr
Bayern ergriff unter Markus Söder drastischere Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus als andere Bundesländer.

© Sven Hoppe, dpa Bayern ergriff unter Markus Söder drastischere Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus als andere Bundesländer.

Nein, zu beneiden ist Markus Söder sicherlich nicht. Jeden Tag Corona und sonst (fast) nichts, das ist monoton und ein Fass ohne Boden. Zumal Söder die Euphorie bezüglich der bald in Bayern beginnenden Impfungen nicht teilt. Auf absehbare Zeit, so das Credo des Ministerpräsidenten, wird uns Corona weiter fest im Würgegriff halten.

Am Ende des Ausnahmejahres 2020 ist es an der Zeit, über den Krisenmanager Söder Bilanz zu ziehen. Seit Beginn des ersten Herunterfahrens des öffentlichen Lebens im März hat Söder an seinem Ruf als Corona-Oberhirte gearbeitet. Die Grenzen seine Zuständigkeitsbereichs haben ihn wenig interessiert, er wollte national das Tempo vorgeben. Omnipräsent war der Nürnberger in den Talkshows und bei den Gipfeltreffen folgte er wie ein Schatten Angela Merkel.


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Kein Wunder, dass er, quasi als Beifang des Corona-Geschäfts, als aussichtsreichster Kanzlerkandidat der Union gehandelt wird. Man tritt dem 53-Jährigen mit der Vermutung, dass ihm dieses Dauer-Umfragehoch sehr gut gefällt, nicht zu nahe. Auch wenn der CSU-Chef sich vehement gegen Kritik zur Wehr setzt, in eine Art Wettbewerb mit den anderen Länderchefs eingetreten zu sein, aus der Welt räumen lässt sich dieser Vorwurf rückblickend nicht.

Härter und schneller – das waren die Leitmotive der bayerischen Corona-Politik. Nach einem Dreivierteljahr im Ausnahmezustand muss allerdings nüchtern festgestellt werden, dass die Entwicklung im Freistaat um keinen Deut besser verlaufen ist als in anderen Teilen der Republik. Im Gegenteil: Bayern ist und bleibt im nationalen Vergleich ein Corona-Hotspot. Ob dafür ausschließlich die lange Grenze zu den Nachbarländern Tschechien und Österreich verantwortlich gemacht werden kann, ist denk-, aber schwer belegbar.

Viel richtig gemacht

Um eines klarzustellen: Söder hat viel richtig gemacht, er hat früher als andere die Tragweite der Pandemie erkannt und niemals einen Zweifel an den massiven Folgen eines zweiten Lockdowns, die wir Tag für Tag mitverfolgen müssen, aufkommen lassen.

Und doch ist Bayern kein Musterland: Allein die beschämende Pannenserie rund um den digitalen Unterricht, für die Lehrkräfte und Schüler am wenigsten können, zeugt davon. Söders Engelsgeduld mit seinem Kultusminister Piazolo (FW) hat übrigens einen guten Grund: Jahrzehntelang trug die CSU Verantwortung für die Bildung im Lande, sie hätte längst die Schulen digitalisieren müssen.


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Gleiches gilt für den erschreckenden Stand der Digitalisierung in einem Teil der Gesundheitsbehörden – auch hier tragen die Christsozialen lange Verantwortung. Am Ende des Ausnahmejahres gibt es also wenig Gründe, ein Loblied auf den Ausnahmepolitiker Söder anzustimmen. Der macht seinen Job wahrlich nicht schlecht, hat aber enorm Luft nach oben.

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