Kommentar

Konzept statt Volk: Grüne und FDP im Vorwärtsgang

29.9.2021, 07:12 Uhr
Christian Lindner (FDP), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) über schon einmal die Dreiergespräche.

© Kay Nietfeld/picture alliance/dpa, NNZ Christian Lindner (FDP), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) über schon einmal die Dreiergespräche.

An Koalitionsregierungen aus zwei Parteien hat sich die Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt. Es waren regelrechte Kompromissschmieden. Wenn die Mehrheiten derart dominant waren wie bei den Großen Koalitionen, dann stellte sich bei den Wählerinnen und Wähler mit der Zeit das Gefühl ein, dass das politische Bild, das die Bundesregierung bietet, eher Grau in Grau ist. Das ist vorerst vorbei.

Mit der letzten Regierung Merkel verschwinden auch die Volksparteien. Zumindest vorerst und vom Wahlergebnis her. Mit einem Stimmenanteil von rund 25 Prozent der Wähler, darf keine Partei noch behaupten, Volkspartei zu sein. Allenfalls die CSU kann für sich noch in Bayern beanspruchen, dass sie die Breite des Wahlvolks abbildet. Allerdings auf einem viel niedrigeren Niveau als noch vor wenigen Jahren. Was das heißt, werden wir in den nächsten Jahren erleben.

Geübt im Interessenausgleich

Volksparteien haben es als Koalitionäre bei der Suche nach Kompromissen immer einfacher, denn sie sind geübt, sich um einen Interessenausgleich zwischen den Parteiflügeln zu bemühen. Mit dem Machtverlust der Volksparteien, für das die Wählerinnen und Wähler gesorgt habe, übernehmen sogenannte Konzeptparteien im Bundestag die Führung. FDP und Grüne können bestimmen, wer unter ihrer Führung die Kanzlerposition ausüben darf.

Ob Olaf Scholz (SPD) oder wider erwarten Markus Söder (CSU), über den derzeit spekuliert wird, dass er im Fall des Scheiterns von Scholz versucht, ein Dreierbündnis zu schmieden. Angesichts der Unterschiede zwischen beiden Parteien in sozialen-, steuerpolitischen und finanziellen Fragen ein spannendes Vorhaben. Noch dazu verweisen FDP wie Grüne darauf, dass es jetzt mehr um Inhalte und nicht um Personen geht. Das hat die Wählerschaft schon öfters gehört. Gerade in den kleineren Parteien ist aber die Frage nach den Personen besonders wichtig. Gegen Christian Lindner von der FDP oder gegen Robert Habeck von den Grünen wird nichts gehen. So viel zu den Inhalten. Das Problem besteht darin, dass das jeweilige Konzept von 80 bis 90 Prozent der Wähler nicht gewählt und im Wahlkampf sogar heftig bekämpft wurde. Die Anhänger von FDP und Grünen würden aber am liebsten zu 100 Prozent das jeweilige Konzept durchsetzen. Das wird nicht gelingen.

Zurückhaltung ist Pflicht

Ein stabile Regierung wird es nur geben, wenn Grüne wie Liberale ihr Ego kontrollieren. Die SPD muss sich zurückhalten und darf der Versuchung nicht unterliegen, die „Kleinen“ zu dominieren. Sollte doch die Union noch zum Zug kommen, dann gilt das für sie natürlich auch. Funktioniert das? In den skandinavischen Ländern sind eindeutige Regierungsbildungen eines politischen Lagers schon lange nicht mehr möglich. Zu größerer Instabilität hat das aber nicht geführt. Wenn es so bleibt bei den nächsten Wahlen, dann dürfte sich das bürgerliche Lager, wie vorher das linke Lager, weiter ausdifferenzieren.


Spekulation um Markus Söder


Statt einer bürgerlichen Mitte wird es dann Interessenparteien geben, deren Bindekraft begrenzt ist. Der jeweilige Egoismus wird hinter dem Begriff „Konzept“ versteckt. Den derzeit viel geschmähten Volksparteien, die sicherlich manchmal zu träge agiert und die Geduld der Wählerschaft strapaziert haben, wird noch mancher nachtrauern: In schwierigen Fragen wie etwa in der Finanzkrise, ist es einfacher die Probleme zu lösen, wenn man zwei Volksparteien zusammenbringen muss als drei Parteien, die unterschiedliche Interessenlagen bedienen. So schlecht wie der Wahlkampf der Union war, war die Regierung Merkel am Ende nicht.

Armin Laschet (rechts) auf dem Weg zur ersten Sitzung der neuen CDU-Fraktion. Er tut sich noch immer schwer, seine Niederlage zu akzeptieren.

Armin Laschet (rechts) auf dem Weg zur ersten Sitzung der neuen CDU-Fraktion. Er tut sich noch immer schwer, seine Niederlage zu akzeptieren. © JOHN MACDOUGALL, AFP

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