Angst vor der Ödnis

Leerstand droht: Wie Politik und Kommunen um die Innenstädte kämpfen

13.9.2021, 17:17 Uhr
Die Pandemie, vor allem aber die Lockdowns, haben die Innenstädte verändert. Vielerorts mussten Geschäfte schließen.

© Olaf Döring via www.imago-images.de Die Pandemie, vor allem aber die Lockdowns, haben die Innenstädte verändert. Vielerorts mussten Geschäfte schließen.

Es war ein schleichender Prozess. Geschäfte mussten schließen, an ihre Stelle traten uniforme Handelsketten in den Einkaufsstraßen. Es war nicht schön, aber hinnehmbar. Doch dann kam das Virus. Seitdem hat der Wandel deutlich an Fahrt gewonnen. Die Menschen kaufen im Internet und nicht mehr vor Ort. Selbst den Ketten geht die Luft aus. Die Folge: Die Innenstädte veröden, die Geschäfte stehen leer. Und manche bleiben es auch.

Markus Pannermayr erlebt das zuhause in Straubing. Der Präsident des Bayerischen Städtetags gibt sich zwar zuversichtlich. Doch er kennt die Realitäten. "Es wird Veränderungen geben", sagt der CSU-Politiker. "Es wird nicht jede Handelslage das überstehen." Der Wandel laufe schon lange, sagt der Straubinger Oberbürgermeister. "Wir klagen nicht, wir wollen gestalten."

"Das stört mich"

Also fordert Pannermayr ein Umdenken auf allen Ebenen. Verloren ist man nur, wenn man sich nichts traut", sagt der Kommunalpolitiker. Er will alles in den Blick nehmen und auf den Prüfstand stellen, vom Denkmalschutz über das Straßen- bis zum Immissionsschutzrecht. "Mich stört es", sagt er, "dass ein Einzelner dafür sorgen kann, dass wir um 22 Uhr keinen Freischank mehr in der Innenstadt haben." Wenn aber einer mit seinem getunten Wagen morgens um zwei durch die Innenstadt röhre, seien alle machtlos.

Bis Mitternacht, das könne er sich gut vorstellen für die Freischankflächen, ergänzt Pannermayr auf Nachfrage. Es wäre für ihn ein Weg unter vielen, wie sich das Leben zurückholen ließe in die Innenstädte. "Die Menschen wollen doch in die Stadtzentren"; glaubt de Politiker. "Sie wollen sich dort begegnen. Wir müssen ihnen jetzt die Erlebnis- und Aufenthaltsqualität schaffen, die sie online nicht finden können."

Umfassender Austausch

Wie das funktionieren soll, ist offen. Bayerns Bauministerin Kerstin Scheyer hat bereits den dritten runden Tisch zum Thema zusammengeholt mit den Vertretern von Ministerien, Städtetag, Einzelhandel und anderen Institutionen. Am Ende kann sie zwar von einem "umfassenden Austausch" berichten. "Viele Ideen" seien zusammengekommen, sagt sie. Dazu die Erkenntnis, dass "das Internet immer ein Konkurrent bleibt".

Inzwischen hat Bayern einen Fonds mit hundert Millionen Euro aufgelegt. 279 Gemeinden und Kommunen haben zugegriffen. Allerdings zählt das Land mit 2056 Gemeinden doch ein paar mehr. Wer sich helfen lässt, kann immerhin mit bis zu 80 Prozent staatlicher Förderung rechnen, in Ausnahmefällen auch mal mit 90 Prozent.

Mehr Kreativität

Das Problem: Die Situation ist in jeder Gemeinde, in jeder Stadt anders. Es gebe nicht die eine Lösung, sagt Schreyer, die wie Pannermayr mehr Flexibilität einfordert und mehr Kreativität. Die Konzepte müssten maßgeschneidert sein, angepasst an die Lage vor Ort. Beispiel Autoverkehr: Die einen wollen ihn aus den Innenstädten verbannen, für die anderen ist er existenziell.

Es gebe Straßenzüge, sagt die Bauministerin, die könnten ohne Autos nicht auskommen, etwa, weil die Geschäfte dort sperrige oder schwere Waren anbieten. Es gebe Bereiche, in denen das Gegenteil der Fall sei. Manche Gemeinden können leerstehende Ladengschäfte anmieten und günstig weitergeben zur Zwischennutzung. Andere können das nicht. Entsprechend müssten die Konzepte angepasst sein.

Mehr Wohnraum

Zumal etliche Stadtplaner davon träumen, dass sie die vor allem nachts leblosen Innenstädte über mehr Wohnraum reaktivieren können. Doch eine solche Mischnutzung bringt neue Probleme mit sich. Handwerker und Anwohner müssen die Häuser erreichen können. Was nicht immer einfach ist bei den ausgedehnten Fußgängerzonen in den größeren Städten.

Spannend wird dabei vor allem, wie flexibel der Staat hier wirklich agieren kann und agieren lässt. Nach dem dritten runden Tisch sind sich zwar alle einig, dass die Zügel deutlich gelockert gehörten. In der Praxis allerdings hat das bisher noch selten geklappt.

10 Kommentare