Leitartikel: Abstieg einer Weltmacht

8.6.2016, 19:35 Uhr

Von Vorfreude auf die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA kann diesmal wirklich keine Rede sein. Die bunten Jubelfeiern können darüber nicht hinwegtäuschen. In beiden großen politischen Lagern, bei den Republikanern wie bei den Demokraten, herrscht im Gegenteil die nackte Verzweiflung. Ein Großteil der Wähler hält beide Kandidaten, die nun feststehen, gleichermaßen für unwählbar.

Es ist eine Auswahl fast wie Pest und Cholera: Donald Trump, ein exzentrischer Immobilien-Millärdär und TV-Clown, der rassistische, frauenfeindliche Sprüche reißt und die Krisen der Welt mit dem Knüppel lösen will. Und Hillary Clinton. Sie brächte zwar mehr politische Erfahrung mit als je ein Bewerber zuvor und sie wäre die erste Frau im Weißen Haus. Aber sie weiß einfach kein Feuer mehr anzufachen und hat ein massives Problem mit ihrer Glaubwürdigkeit. Und das ist das Beste, was die „großartigste Nation der Erde“ aufzubieten hat?

Schon seit Wochen ist zu hören und zu lesen, dass den USA der schmutzigste Wahlkampf aller Zeiten bevorsteht. Dabei dachte man, dass nach zwei Wahlkämpfen, in denen sich am Ende jeweils Barack Obama, der erste Nicht-Weiße im Oval Office, durchsetzte, eine Steigerung gar nicht mehr vorstellbar sei. Falsch. Schon damals blieb zwar kein rassistisches Vorurteil unbedient. Doch Donald Trump hat längst den Beweis dafür erbracht, dass es noch vulgärer geht.

Inhalte fast irrelevant

Die USA geben derzeit ein Beispiel dafür, wie sich ausgerechnet die Nation, die sich als Fackelträger der Demokratie versteht, selbst demontiert. Politische Inhalte spielen diesmal so gut wie keine Rolle mehr. Worum es wirklich geht, zeigen ein paar Zahlen.

2008, als Barack Obama eine noch nie gekannte Euphorie auslöste, gleichzeitig aber so massiv angefeindet wurde wie wohl noch nie ein Kandidat in der Geschichte der US-Präsidentschaftswahlen, kostete der Wahlkampf insgesamt 1,6 Milliarden Dollar. Das war damals eine unfassbare, noch nie auch nur annähernd erreichte Summe. Außerhalb der USA konnten alle nur mit dem Kopf schütteln.

2012 steckten mächtige Interessengruppen, die Obama unbedingt loswerden wollten, noch viel mehr Geld in die Kampagne. Der Wahlkampf kostete 2,6 Milliarden Dollar. Und diesmal erwarten Experten, dass es wohl mehr als fünf Milliarden Dollar sein werden.

Einfluss des Großkapitals

Bei solchen Summen lohnt es sich nicht mehr, über Inhalte zu reden. Hier nimmt das Großkapital, die Wall Street, nehmen politisch erzkonservative Milliardäre so viel Geld in die Hand, um den Ausgang in ihrem Sinne zu beeinflussen, dass es am Ende fast zweitrangig wird, wer gewinnt.

Nun gut, ganz einerlei ist das nicht. Gewänne Trump, wäre das, als würden die USA politisch russisch Roulette spielen. Vermutlich wäre dieser Lauttöner im Amt pragmatischer als jetzt im Wahlkampf. Und noch größere weltpolitische Schäden als der Republikaner George W. Bush könnte möglicherweise auch Trump nicht anrichten.

Und Hillary Clinton? Trotz ihrer Erfahrung stimmte auch sie 2003 für die verhängnisvolle Irak-Invasion, die das Desaster auslöste, das wir heute im Mittleren Osten beklagen. Und bis heute weigert sie sich offenzulegen, was denn der Inhalt ihrer Reden war, für die sie von dem Wall-Street-Riesen Goldman Sachs insgesamt 675 000 Dollar Honorar einstrich. Welche Außenpolitik wäre von ihr zu erwarten? Wie ernsthaft ist ihr Versprechen, sie würde sich um die Anliegen der kleinen Leute kümmern?

Wie immer diese Wahl am 8. November ausgeht, Historiker werden am Ende vielleicht sagen können, dass dieser Tag entscheidend zum Abstieg der Weltmacht USA beigetragen hat. Und der Rest der Erde wird die Schmerzen ebenso spüren.

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