Leitartikel: Gebt Snowden endlich Schutz!

17.9.2019, 19:13 Uhr

Es gibt Momente im politischen Leben, da darf man nicht auf der verkehrten Seite stehen. Die US- geführte Militärinvasion in den Irak im Jahr 2003 war so ein Fall, ebenso der Angriff der Nato-Staaten Frankreich, Großbritannien und USA auf Libyen 2011. Auch wenn die Dimension eine andere sein mag, der Umgang mit der Causa Edward Snowden gehört in diese Kategorie.

Es geht um grundsätzliche Weichenstellungen, die man später kaum mehr rückgängig machen kann. Der Einmarsch in den Irak, dem sich die damalige Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder mutig verweigerte, war der Auftakt zu einer politischen, wirtschaftlichen und moralischen Zerstörung nicht nur des Zweistromlandes, sondern der ganzen Region. Der Islamische Staat (IS) wäre nie entstanden, hätte es diesen Sündenfall nicht gegeben.

Ähnlich war es in Libyen. Muammar al-Gaddafi wurde gestürzt und ermordet. In der Folge aber verbreiteten sich die Waffen aus den Arsenalen des Machthabers auf ganz Nordafrika und die Subsahara-Staaten, in denen heute islamistische Terrorgruppen wüten.

Beide Ereignisse haben die Lage der Welt massiv verändert – zum Schlechten. Genau deswegen ist der Fall Snowden auch für uns wichtig. Er enthüllte damals, in welchem Ausmaß die amerikanischen und britischen Geheimdienste in dem von US-Präsident George W. Bush erklärten "war on terror" die ganze Welt ausspionierten, selbst die eigenen Verbündeten. Es wurden Gesetze gebrochen, die zum Kernbestand demokratischer Verfassungen gehören.

Dass Snowden dies öffentlich machte, wohl wissend um die Risiken, war ein Akt des Patriotismus und der Courage. Dafür hätte er Auszeichnungen verdient. Stattdessen droht ihm, wenn die USA seiner habhaft würden, lebenslange Haft. Spätestens hier kommt auch die Bundesregierung ins Spiel.

Auch Merkel bleibt stumm

Deren Repräsentanten halten in Reden zwar gern die Bürgerrechte hoch. Doch wenn es zum Schwur kommt, stellen sie sich taub und stumm – auch Kanzlerin Angela Merkel, die sich gerne als "Führerin der freien Welt" feiern lässt. Es ist eine Schande für die gesamte westliche Welt, dass Snowden seit 2013 im russischen Exil ausharren muss, angewiesen auf die Gnade von Wladimir Putin, der sonst kein Freund der Bürgerrechte ist.

Vor vier Jahren war Snowden live per Video auf der Internet-Sicherheitsmesse it-sa in Nürnberg zugeschaltet. Schon damals ließ er wissen, dass er auf die Unterstützung Deutschlands setze. Leider aber, so sagte er, gehöre auch die Bundesrepublik zu den Ländern, die "irgendwelche Gründe fanden, oft sogar technische", um ihm kein Asyl anzubieten.

Bis heute stehen wir im Fall Snowden auf der falschen Seite. Ob wir wollen oder nicht, damit entscheiden wir mit darüber, welchen Stellenwert Bürger- und Freiheitsrechte künftig auf unserem Globus haben werden.

 

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