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Es war ein mutiger Schritt, zu dem sich eine rot-rot-grüne Mehrheit im Rat der hessischen Universitätsstadt Marburg entschloss, um in Zeiten von stetig steigenden Energiepreisen von den Versorgungskonzernen unabhängiger zu werden. Wer ein Haus baut oder saniert, muss eine solarthermische Anlage auf dem Dach installieren, also eine, die Warmwasser für Küche und Bad, aber auch für Heizzwecke liefert. Dafür gibt es Zuschüsse, unter anderem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wer nicht mitmacht, dem droht ein Bußgeld bis zu 1000 Euro.
Ausgenommen von dieser sogenannten solaren Baupflicht sind Gebäude, die an die Fernwärmeversorgung angeschlossen sind, ihre Wärme durch Kraft-Wärme-Kopplung oder erneuerbare Energien beziehen. Der Denkmalschutz steht der Kollektor-Pflicht dagegen nicht im Weg: Hier fordert die Satzung aber einen «unauffällig in Dachhaut oder Fassade integrierten« Einbau.
In der mittelfränkischen Universitätsstadt Erlangen wird voraussichtlich im Juli ein Antrag im Stadtrat eingebracht, der ebenfalls eine solare Baupflicht vorsieht, allerdings in abgeschwächter Form. Wer von der Stadt ein Grundstück erwirbt und darauf baut, soll «zur Installation von thermischen Solaranlagen in ausreichender Größe in der Regel verpflichtet« werden. Wenn die Stadt selbst baut oder eines ihrer Gebäude saniert, sind ebenfalls «generell thermische Solaranlagen vorzusehen«. In beiden Fällen kann es Ausnahmen geben.
«Sonne auf dem Dach«
Den Antrag hatte, in etwas erweiterter Form, die Erlanger SPD-Fraktion in Zusammenhang mit dem Bürgerbegehren «Sonne auf dem Dach« bereits im vergangenen Jahr im Stadtrat eingereicht, war aber an der Mehrheit von CSU und FDP gescheitert. Nach der Kommunalwahl aber sind die Mehrheitsverhältnisse anders. Die Chancen, dass der Vorstoß im Juli eine Mehrheit bekommt, steigen. Möglicherweise hat auch wegen der Rekord-Energiepreise und der Klimadebatte ein Umdenken stattgefunden.
In Marburg ließen sich CDU, FDP und Bürgerliste (MBL) allerdings nicht beeindrucken. Sie stimmten gegen die Solarpflicht-Satzung, weil sie ihrer Meinung nach einen Verstoß gegen Eigentumsrechte der Bürger und gegen die hessische Bausatzung darstellt. Die Kritiker haben im Regierungspräsidium Gießen einen gewichtigen Fürsprecher. Die Aufsichtsbehörde hatte von Anfang an Einwände erhoben - und sie muss der Satzung noch zustimmen.
Ein Verstoß gegen das Baurecht könnte darin bestehen, dass Solaranlagen nicht nur für Neubauten vorgeschrieben sind, sondern auch für alle bestehenden Gebäude, sobald sie saniert oder umgebaut werden. Denn, so die Begründung von Bau-Bürgermeister Franz Kahle (Grüne), in Altbauten werde die meiste Energie verbraucht. Doch die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften berücksichtigen das bisher nicht.
Dieses Problem besteht jedenfalls für die abgeschwächte Erlanger Variante nicht. Martin Hundhausen, der Vorsitzende des Vereins Solarenergie Erlangen, der den Ausbau von Kollektoren und Photovoltaik-Anlagen in der Universitätsstadt entscheidend mit vorantreibt, glaubt aber nicht, dass Erlangen sich vom Marburger Beispiel inspirieren lässt und die Solarpflicht ausweitet.